Verzweigt – viele werden bei diesem Begriff zunächst an Bäume denken, vielleicht auch an Wasserwege oder Blutbahnen. Doch verzweigt ist sehr viel mehr, das zeigt die Mitgliederausstellung zum 10. Geburtstag des Kunstvereins Wasserburg am Bodensee (KUBA). Mittels Malerei, Druckgrafik, Skulptur, Fotografie und Zeichnung zeigen die beteiligten Kunstschaffenden, wie kreativ man sich mit diesem Thema auseinandersetzen kann.
„Verzweigt“ ist das Thema der diesjährigen Mitgliederausstellung. Wie immer ist es Ergebnis der Diskussion im Vorstand und künstlerischen Beirat, bei der versucht wird, einen roten Faden zu finden, der genug Raum lässt für individuelle Interpretation und Entfaltung. Aber gleichzeitig gab es in diesem Jahr auch den Wunsch, damit einen Bezug zu dem besonderen Jubiläum herzustellen, dem 10-jährigen Geburtstag des Vereins.
Warum also „verzweigt“? Nun: Kunst und Kreativität, ein Verein und sein Programm können nur dann funktionieren, wenn Verknüpfungen da sind. Verbindungen zwischen Menschen, Gedanken, Wissen, Gefühlen – die entstehen und wachsen wie die Wurzeln oder Zweige in einem gesunden Baum, die Abzweigungen von der Hauptstraße, wenn man Neues entdecken will, die Verlinkungen in unserer digitalen Welt. Je besser die Pflege und Aktivität, desto mehr Querverbindungen entstehen.
Verzweigungen und ihre Bedeutung
Verzweigt – dieser Titel lässt zunächst an Bäume denken. Sie sind als Motiv selbst attraktiv, schließlich besitzen sie eine riesige Vielfalt an Größen, Wuchsformen, Blattarten, Stammdurchmessern und Früchten, sie wachsen gerade oder knorrig, haben knotige, moosbewachsene Rinden oder eine glatte Haut. Viele Geschichten könnten sie uns erzählen. Vielleicht können manche Kunstschaffende diese hören.
Mit ihren Wurzeln, dem Stamm und den Ästen mit zahlreichen Verzweigungen sind Bäume gleichzeitig Sinnbild für das Leben mit seinem Wachsen, Streben nach dem Licht und all den Wegen, die dafür nötig sind. Leicht lässt sich von dort die Brücke schlagen zum menschlichen Körper, seinen Nerven und Blutgefäßen und dem Lauf eines Flusses von der Quelle bis zu den Verzweigungen des Flussdeltas.
Verzweigung, Verknüpfung, Vernetzung – diese Begriffe liegen eng beieinander und stehen wohl auch für unser modernes Leben, in dem Datenströme hin und her wandern, sich millionenfach verknüpfen und die analoge und digitale Welt sich immer mehr verweben.
Verzweigungen in der Kunst
Verzweigungen spielen in der Bildenden Kunst von jeher eine Rolle. Das Motiv des Baumes und seiner Äste wurde unzählige Male umgesetzt – etwa in der Malerei oder Bildhauerei, in der Fotografie, performativen Kunst oder Land Art.
Viele werden den Goldenen Baum des Lebens von Gustav Klimt kennen, mit seinen symbolischen Blättern aus gerollten Linien, oder die Mandelbaumzweige, die Vincent van Gogh gemalt hat. Josef Beuys hat im Rahmen der documenta 7 1982 in Kassel 7000 Eichen gepflanzt, Georgia O‘Keeffe einen toten Baum vor einem pinken Hügel gemalt, Paula Modersohn-Becker hält in einem ihrer Selbstbildnisse einen Kamelienzweig in der Hand. In der abstrakten Kunst zeigen sich Verzweigungen in den Bildern eines Wassily Kandinsky oder einer Lee Krasner. Die Scherenschnitte mit zweigähnlichen Strukturen von Henry Matisse finden sich inzwischen millionenfach auf Tassen und Kunstdrucken. Die kubanisch-amerikanische Künstlerin Ana Mendieta setzte in ihrer Performance-Kunst den eigenen Körper in Verbindungen zur Natur. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Doch auch die symbolische Bedeutung von Verzweigungen wird genutzt, um die Komplexität der Welt zu zeigen: die Verbindungen zwischen den Menschen oder auch von Mensch und Natur. Verästelungen, die ins Nichts führen oder Zweige, die sich umschlingen, sich gegenseitig stützen oder am Wachsen hindern. Abzweigungen, die auf immer neue Wege lenken – ins Licht oder ins Dickicht. Weggabelungen, für die Entscheidungen nötig sind oder auch ein einfaches Sich-Leiten-lassen. Der Familienstammbaum.
Letztlich steht das Thema auch für die Kunst selbst, was sie ist und was sie kann: Die Verflechtung von Ideen, Farbe und Form, das Weiterwachsen auf dem Humus der Kunst- und Literaturgeschichte. Die Abzweigungen, die man als Kunstschaffende braucht, um neue Wege des Ausdrucks zu finden. Die Vielfalt an Erfahrungen, die sie stärkt und immer weiterwachsen lässt. Und nicht zuletzt die Verbindungen zwischen der Kunst und den Menschen, die diese wahrnimmt.
Verzweigungen im KUBA
„Verzweigt“ spiegelt auch die 10 Jahre des Kunstvereins: das Wachsen, das Miteinander, das Einschlagen neuer Wege. Und genau das finden die Gäste in der Ausstellung: 43 aktive Kunstschaffende haben sich in ihren rund 80 Werken aus Malerei, Fotografie, Grafik und Objektkunst mit den verschiedensten Facetten auseinandergesetzt. Sie zeigen Bäume und Zweige in ihrer Vielfalt, ebenso wie die Metaebenen, die aus der thematischen Vorgabe erwachsen. Lassen Sie sich einwickeln, zum Staunen und Nachdenken anregen, zum Vernetzen und Austausch über das Gesehene.
Spannend ist, wie unterschiedlich die Herangehensweisen der einzelnen Kunstschaffenden ist. Manche Verzweigungen sind deutlich und liegen nahe – so finden sich zahlreiche Bäumen oder Flüsse in der Ausstellung. Andere wiederum erschließen sich erst auf den zweiten Blick oder gar erst, wenn man den Begleittext im Katalog liest. Aber auch das ist und kann Kunst: Anregen und dabei viel Raum lassen für eigene Gedankenspiele, mit denen sich neue Verknüpfungen bilden – zwischen den eigenen Synapsen, zwischen Herz und Hirn oder im Dialog mit anderen.
Verzweigt
Kunstbahnhof Wasserburg (Bodensee)
27. Mai bis 9. Juli 2023
Fr, Sa, So, 15 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.ku-ba.org
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Ich freue mich: Mein neuer Katalog ist fertig.
Hier lässt er sich online durchblättern
Links:
- Auch im letzten Jahr hatte der Kunstverein Wasserburg ein Ausstellungsthema mit vielen Facetten: Mensch und Natur
- Wer ein paar Gedanken zur Werkauswahl und Hängung bei einer Ausstellung lesen möchte, bitte hier entlang: Wenn Kunst und Kuratierung trefflich zusammenspielen
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