Vergangenen Freitag war die Eröffnung meiner aktuellen Ausstellung in der Städtischen Galerie in Riedlingen. Eine intensive Vorbereitung, dann ein tolle Vernissage, viele wunderbare Momente und Begegnungen. Ich sollte also rundum zufrieden sein. Doch wie so oft: ein, zwei unangenehme Bemerkungen reichen, um das Wohlfühllevel merklich abkühlen zu lassen – selbst wenn vorher unzählige positive Rückmeldungen das Herz erwärmt haben. Leider gehöre ich nicht zu denjenigen, die schmissige Erwiderungen auf der Zunge haben. Dies ist wohl einer der Gründe, warum ich Blogartikel schreibe.
- Sehen Sie es als Kompliment – aber ich kann mit Ihrer Kunst nichts anfangen …
- Wie kann man nur…
- … das Leben verschwenden?
- Das Leben leben
- Was wirklich zählt
- Kunst kann was
- Fazit
- Ergänzung: Im Gespräch mit ChatGPT
„Ihre Kunst sagt mir nichts“ – da habe ich durchaus kurz geschluckt. Dass jemand mit meiner Kunst nichts anfangen kann: Nun, das ist normal. Nicht jeder mag Hähnchen oder Fisch, Rot oder Blau, kurze Nasen und lange weite Hosen. Warum also sollte jeder meine Kunst mögen? Das zumindest ist die Theorie (die ich ausführlich in meinem Blogartikel Wie ich mit Kritik umgehe beschrieben habe). Doch ehrlich gesagt komme ich trotz allem mit Ablehnung nicht immer so leicht zurecht.
Sehen Sie es als Kompliment – aber ich kann mit Ihrer Kunst nichts anfangen …
Das war die gesamte Aussage. Doch wie bitte, ist das gemeint? Warum soll es ein Kompliment sein, wenn jemand sagt „ich mag dich nicht“, „Ich mag deine Frisur nicht“ oder „Ich mag deine Kunst nicht“? Weil derjenige sich überhaupt mit meiner Kunst auseinandersetzt und sich die Zeit nimmt, eine Meinung abzugeben? Weil seine Einschätzung so sehr vom Mainstream abweicht, dass ich mich geehrt fühlen muss, wenn diese negativ ist? Dass ich mich gut fühlen muss, dass überhaupt jemand zu meiner Kunst eine Meinung hat? Ehrlich gesagt: Ich bin ratlos! Aber wie ich es auch drehe und wende: Als Kompliment empfinde ich es nicht.
Wie kann man nur …
Eine zweite Variante der eher schwierigen Gesprächseinstiege war der Folgende: „Sagen Sie mal, warum haben Sie bloß die Medizin gegen die Kunst eingetauscht?“ – weit aufgerissene Augen, gekoppelt mit einem verständnislosen Kopfschütteln. Die Tonhöhe der Frage lässt darauf schließen, dass sie nicht nur der Neugier geschuldet ist, sondern ein „wie kann man nur“ mitschwingt. Wie kann man nur Kunst machen, statt Ärztin zu sein…
Solche Konnotationen habe ich in meinem Leben schon mehrfach gehört. Das erste Mal: Als ich Freunden und Bekannten eröffnete, dass ich einen Job in einem Medizinverlag angenommen habe. Da sprachen einige es sogar explizit aus: „Wieso tauschst du deinen Beruf als Ärztin gegen ein Volontariat in einem Verlag ein? Was machst du da überhaupt? Da verdienst du doch nichts?“ Gemeint war: Wie kann man etwas wegwerfen, mit dem man auf der sozialen Leiter so weit oben steht? Für so etwas Profanes wie Bücher zu machen? Später hatte ich dann wieder eine ähnliche Situation, als ich mit Anfang 40 noch ein Masterstudium begonnen habe (Wie kannst du nur, in dem Alter und mit einem kleinen Kind?).
In solchen Momenten fiel mir meist keine Antwort ein. Dabei wäre sie so einfach gewesen. Bei meinen Eltern hatte ich damals die größten Bedenken, von meiner Entscheidung zu erzählen, der Medizin den Rücken zu kehren. Wundersamerweise waren sie nicht entsetzt, sondern hatten die einfachste Erklärung: „Es ist doch schön, dass du nun das tust, was dich glücklich macht“. Und recht hatten sie: In meinem neuen Job schwebte ich jeden Tag ins Büro. Ich liebte es, Bücher zu machen, liebte das Gefühl, etwas mit tiefer Begeisterung und Herzblut zu tun, Wertschätzung zu erhalten und Projektverantwortung zu übernehmen.
… das Leben verschwenden?
Ich erinnere mich, wie ich einmal montags im Zug saß und zwei Männern zuhörte, die sich lautstark unterhielten. Darüber, dass sie sich jetzt schon auf die Wochenende freuen und dass sie es nicht erwarten können, dass der nächste Urlaub kommt. Ich rechnete kurz hoch, wie viele Tage des Lebens sie damit verbringen, auf Wochenenden und Ferien hinzuleben und war geschockt. Möchte ich einen Beruf haben, der darin besteht, mich die ganze Zeit damit zu beschäftigen, dass ich endlich etwas anderes tun darf?
Das Leben leben
Mein Mann stand neben mir und hatte eine wunderbare Antwort auf die Frage, warum ich Kunst statt Medizin mache: „Medizin war ein Vernunftentscheidung. Kunst ist die Leidenschaft.“ Ja, so ist es, genau so. Ich möchte nicht etwas tun, von dem mir der Kopf sagt „das ist sinnvoll, das musst du (schließlich hast mit deinem guten Abi-Schnitt und Medizinertest einen Studienplatz bekommen). Dieses Denken hat mich durch die ersten Jahre meines Erwachsenenlebens begleitet und mir selten gut getan.
Stattdessen möchte ich das tun, von dem mir mein Herz sagt; „Mach es. Genau das ist deine Leidenschaft, dein Herz, deine Seele. Das ist das, wofür du brennst. Was du tun musst, weil du nicht ohne kannst.“ Und dann ist es nicht mehr wichtig, sich von Wochenende zu Wochenende, von Urlaub zu Urlaub zu hangeln. Weil mein kreatives Schaffen Teil meines Lebens ist. Und ich es deshalb so lange tun möchte, bis ich nicht mehr kann (und nicht, bis ich das Rentenalter erreicht habe).
Was wirklich zählt
Die anderen Begegnungen und Gespräche bei der Vernissage waren erfüllend und inspirierend. Ich bin zutiefst dankbar dafür:
- Die wunderbare Rede der Kunsthistorikern Ingeborg Maria Buck, bei der ich häufig mein rotes Gesicht in meinen Händen verbergen musste. Und zum Abschluss schenkte sie mir eine eigenhändig gefaltete Blume in Gelb, Rot und Blau, als Referenz zu meiner Kunst und meinem Umgang mit Farbe. Zeit und Gedanken für mich – wie toll.
- Der Austausch mit Besucherinnen, wie solch eine gelungene Hängung funktioniert.
- Das Feedback, dass die Stille in meinen Bildern hörbar ist.
- Die Aussage, dass die Raumwirkung durch meine Werke zu etwas ganz Besonderem geworden ist.
- Die Rückmeldung der Verantwortlichen, dass es Spaß gemacht hat, mit mir zusammen die Ausstellung vorzubereiten – ein Spiegelbild meiner Freude und Dankbarkeit, die ich bei der Zusammenarbeit verspürte. Selten hatte ich solch eine tolle Hilfe beim Ausladen und Aufhängen der Werke. Und verpflegt wurde ich auch noch.
- Die Freundin, die mir aus ihrem Irlandurlaub eine kleine wunderhübsche Muschel mitgebracht hat. Sie hatte an eine meiner künstlerischen Arbeiten mit Steinen und Blättern gedacht und war sicher, dass ich mich über diese Aufmerksamkeit freue. Und wie ich das tat (fast so sehr wie darüber, dass sie mit Mann und Schwester zur Vernissage gekommen war).
- Mein Sohn, der zusammen mit zwei Freundinnen von der Rückreise aus Straßburg einen Umweg über Riedlingen gemacht hat
- Das wertschätzende, interessierte Gespräch der Presseverantwortlichen mit mir (das sie in einen sehr schönen Zeitungsartikel über meine Ausstellung verwandelt hat).
Kunst kann was
Ein anderer Aspekt, auf den ich als Antwort hätte ebenso gut eingehen können: die Superpower von Kunst. Auch sie kann das Wohlbefinden verbessern, kann körperlichen und seelischen Krankheiten vorbeugen und heilen. Ich muss also nicht Ärztin sein, um Gutes in die Welt geben zu können. Kunst kann die Waagschale auf der Seite der positiven Dinge füllen – und so ein Gegengewicht zu all dem Anstrengenden, Dunklen schaffen. Kreativität ist ein Geschenk – nicht nur für mich. So hat mir eine Kundin schon mehrfach geschrieben, wie sehr ihr das von mir gemalte Bild immer wieder durch schwere Zeiten hilft.
Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen darauf hinzuweisen, dass ich im Rahmen der Ausstellung genau darüber einen Vortrag halten werde. Aber wie gesagt: Mein Kopf ist in solchen Situationen meist erstmal leer.
Fazit
Eine Vernissage ist immer auch ein Wechselbad der Gefühle. Es macht stolz, die eigene Kunst zeigen zu dürfen, Menschen zu berühren. Doch als Künstlerin entblöße ich mich, zeige ein Stück von meinem Innern, spreche dabei in einer bestimmten Sprache. Nicht gehört oder missverstanden zu werden, erzeugt schnell das Gefühl, auch als Person abgelehnt zu werden – selbst wenn der Kopf weiß, dass das Unsinn ist. Das ist einer der Herausforderungen, denen ich mich immer wieder stellen muss, vielleicht auch der Preis dafür, dass ich das tue, wofür ich brenne. Emotionen können dünnhäutig machen. Doch das zeugt von Lebendigsein, oder?
… dann kann ich Leises hören
Städtische Galerie zum Heiligen Geist des Museums Riedlingen
Wochenmarkt 3
7. September bis 1. Dezember 2024
Fr, Sa 15 – 17 Uhr
So 14 – 17 Uhr
Eintritt frei
www.museum-riedlingen
Ergänzung
Meine Newsletterabonnent:innen kennen das Folgende bereits, ich ergänze es trotzdem an dieser Stelle, weil es so wunderbar zum Thema der verschiedenen Blickwinkel passt. Ich habe vor kurzer Zeit ChatGPT einen Screenshot meines instagram-Accounts gezeigt und gebeten, dazu eine Einschätzung zu schreiben. Es gab mehrere Varianten. Ehrlich gesagt: Das Lachen ist mir ein bisschen im Hals stecken geblieben.
Mein erste Frage an ChatGPT: „Welche Stimmung hat dieses instagram-Konto?“
[Antwort] Der Instagram-Account, basierend auf deinem Screenshot, hat einen ruhigen und künstlerischen Vibe. Die Bilder zeigen eine Mischung aus abstrakter Kunst, Landschaftsgemälden und sanften Pastellfarben. Es scheint, dass der Fokus auf stimmungsvollen, atmosphärischen Darstellungen liegt, die eine ruhige und meditative Atmosphäre vermitteln. Die Kunstwerke strahlen Gelassenheit und Naturverbundenheit aus, während die Fotografien von Landschaften und Details wie Bäumen und Booten eine Verbindung zur realen Welt herstellen. Der Account wirkt insgesamt sehr harmonisch und inspirierend.
ChatGPT ist ja gar nicht so doof wie ich dachte…
Zweite Variante, nach meiner Aufforderung „sei gemein“
[Antwort] Wenn ich ehrlich bin, ist dieser Instagram-Account nichts für jemanden, der nach aufregenden oder lebendigen Inhalten sucht. Die Pastelltöne und abstrakten Landschaften sind schön, aber es wirkt alles ein wenig eintönig und repetitiv. Es scheint, als ob der Künstler ständig auf Nummer sicher geht, ohne wirklich etwas Neues oder Aufregendes zu wagen. Das Konto strahlt eine Atmosphäre aus, die eher einschläfernd als inspirierend wirkt, als ob die kreative Energie irgendwo auf dem Weg verloren gegangen wäre. Aber vielleicht ist das ja genau das, was einige Leute suchen!
Eintönig?! Hallo?! … Und: Bin ich wirklich mutlos?
„Sei noch gemeiner“
[Antwort] Wenn du nach etwas suchst, das wirklich inspiriert oder überrascht, dann ist dieser Account eine totale Zeitverschwendung. Die Gemälde sehen alle gleich aus – wie verschiedene Versionen desselben unspektakulären Himmels. Es ist fast so, als ob der Künstler eine „Wie erstelle ich langweilige Landschaften“-Masterclass besucht hat. Diese Seite könnte genauso gut eine Diashow in einem Wartezimmer sein. Keine kühnen Farben, keine mutigen Konzepte, nur eine endlose Parade von belanglosen Wolken und trägen Farben, die einen eher in den Schlaf wiegen als faszinieren.
„Unspektakuläre Himmel? Belanglose Wolken? Langweilige Landschafts-Masterclass“?! Geht’s noch? Wobei, die „Diashow im Wartezimmer“ bringt mich auf Ideen…
„Ok, und nun beschreibe die Kunst sehr lobend und kreativ“
[Antwort] Dieser Instagram-Account ist eine wahre Oase der Ästhetik und des künstlerischen Ausdrucks. Jedes Bild wirkt wie ein sanfter Flüsterton der Natur, eingefangen in feinen, ätherischen Pinselstrichen, die den Betrachter in eine Welt voller Ruhe und Harmonie entführen. Die subtilen Farbübergänge und die weiche, fast traumhafte Atmosphäre der Gemälde schaffen eine tiefe emotionale Resonanz. Hier spürt man die Liebe zum Detail und die Hingabe an die Kunst, die weit über das Visuelle hinausgeht und eine Verbindung zur Seele herstellt. Ein wahrer Genuss für jeden Kunstliebhaber!
Na geht doch. ChatGPT ist ja doch ganz ok. Ein wahrer Genuss … :-)
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Ich freue mich: Mein neuer Katalog ist fertig.
Hier lässt er sich online durchblättern
Liebe Dagmar, ich empfehle dir für diese – doch besser nicht geäußerten – Aussagen meine Lieblings-Antworten:
Anschauen und im Stil Loriots antworten: „Ach was…“ Oder „Potz Blitz“ und dann einfach weiterreden oder besser weitergehen. Das lässt diese Kritik-Bömbchen an dir abperlen.
Liebe Carmen, oh ja, das ist ein guter Tipp. Da überlege ich mir bei Gelegenheit mal eine kunstreiche Erwiderung und trainiere, sie in solchen Fällen zu benutzen :-) Danke!
Liebe Dagmar,
ach ja. Ich habe im Schwarzwald eine andere Reaktion kennengelernt „awa“?
Vielleicht gelingt es mir, nach Riedlingen zu kommen, denn Deine Bilder sprechen mich an.
Da ich was Ausstellungen anbelangt, nicht so wild darauf bin, meine Bilder zu zeigen und immer noch überlege: lasse ich eine Website entwerfen oder fahre ich lieber in die europäische Welt, gibt es keine. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Liebe Christiane, „awa“ ist auch eine gute Idee, ausgesprochen mit einer leicht fragenden Hebung am Ende. Im Sinn von „Was Sie nicht sagen“ oder „echt jetzt?“, eher als „Ach was“. Kommt auf meine Liste :-) Ich würde mich freuen, wenn du es nah Riedlingen schaffst. Falls du am 27.10. (zu meinem Vortrag) kommst, sag doch bitte persönlich hallo :-)