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2022 | 272 Seiten | Klett-Cotta |
Originalausgabe
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Ich mag Fragen, geben sie mir doch die Möglichkeit, selbst zu denken. Zumindest wenn sie die Antwort nicht schon in sich tragen oder rhetorisch gemeint sind. Und sie lösen eine Kaskade weiterer Fragen aus. Bei diesem Buch geht es bereits los beim Titel: „Kann ich das auch?“ – Mmh, was genau? Auch der Untertitel hilft erstmal nicht wirklich weiter: „50 Fragen an die Kunst“. Und bereits hier zeigt sich das, was das Buch auszeichnet: Keine fertige Antworten zu bieten, kein Fastfood, keine aufgehübschten Appetithäppchen. Sondern Meinungen und kluge Denkanstöße. Jedenfalls fange ich schon mal an zu überlegen, ob mir 50 Fragen an die Kunst einfallen würden und welche der Autor wohl aufgeworfen hat.
Also: aufblättern und nachschauen. Rund 250 Seiten später fühle ich mich erschlagen und doch energiegeladen. Durch die Mangel gedreht und gleichzeitig durchgepustet von einer frischen Brise. Obwohl ich Schnellleserin bin, habe ich länger gebraucht, habe Etliches mehrfach gelesen, innegehalten, mich kreuz und quer durch das Buch bewegt. Die im Text eingestreuten Links auf andere Kapitel hätte ich dafür nicht gebraucht, im Gegenteil: Sie hemmen den Lesefluss und ich empfand sie eher als kontraproduktiv („lies hier“, „hast du schon an diese Verbindung gedacht“ – das Gegenteil von dem, was hier sonst von mir als ernstzunehmende Leserin erwartet wird…). Sei’s drum, man gewöhnt sich daran.
Reichert spannt einen großen Bogen: von der Definition und Rezeption von Kunst, ihren Sinn (und Unsinn), über die Mechanismen des Kunstmarkts bis hin zu der Frage, was Kunst für die Gesellschaft bedeutet. Oft mit einem Augenzwinkern, ohne Zweifel daran zu lassen, wie ernst er es meint. Man merkt dem Autoren die Leidenschaft an und er weiß, wovon er schreibt.
Ein kluges Buch. Ein wichtiges Buch. Ein sperriges Buch, das sich dem schnellen Lesen verweigert. Mehrfach habe ich genickt, nur um kurze Zeit später unbemerkt um die Ecke geführt worden zu sein, dort innehalten und meinen Blickwinkel neu justieren zu müssen. Das Buch verweigert sich der schnellen Verbrüderung, dem wissenden Einverständnis. Hier kann man nicht wie auf einer Vernissage mit einem Sekt in der Hand leichten Smalltalk führen und einvernehmlich nicken. Es ist ein bisschen wie der unbequeme Gast, der Aussagen nicht mit einem gönnerhaften Lächeln bestätigt, sondern mit einer Frage pariert. Und noch einer und noch einer. So oft, dass man am Schluss überlegen muss, was man am Anfang eigentlich meinte.
Der Text fordert immer wieder zum Nachdenken auf. Nicht selten tritt auch der umgekehrte Fall ein: Beim Lesen formiert sich bei mir Widerstand – nur um wenige Absätze später und bestätigendes Nicken aufgelöst zu werden.
Manche Absätze sind nicht so einfach zu verstehen, Impulse zum Weiterdenken, die sich erst nach wiederholtem Lesen in Denkanstöße transformieren. Das steht exemplarisch für das Thema, um das es geht: die Kunst. Und das wiederum ist eine große Stärke dieses Buches: auf der Metaebene genau das auszulösen, was es versucht zu erklären: Kunst muss sperrig sein, Impulse geben, zum Nachdenken anregen. Subjektiv sein und eben gerade auch nicht. Kunst muss Fragen aufwerfen, die Antworten muss jeder selbst suchen und entdecken. Kunst erschließt sich nicht beim ersten Anschauen, sie zu beurteilen und einen Zugang zu ihr zu finden, dazu braucht es Übung, die Motivation, soziale Kompetenz. Ebenso Humor und Biss. Und den Willen, Diskussionen zu führen, Dinge infrage zu stellen, Gesetztes auf den Kopf zu drehen und von hinten neu zu betrachten. Aus dem Chaos neue Welten kreieren: die Schöpfungsgeschichte immer wieder neu denken.
Fazit
Auch wenn die Fragen einfach sind, die möglichen Antworten sind es nicht. Deshalb bezweifle ich, dass es einlöst, was Reichert in einem Interview als Ziel formuliert hat: „Ich will, dass alle am Gespräch über Kunst teilhaben. Dafür ist dieses Buch geschrieben.“ Ohne Kunst wäre die Welt ärmer, da stimme ich Reichert zu. Ohne dieses Buch auch.
Für mich ein Novum: Ich wurde gefragt, ob ich dieses Buch lesen und über meine Erfahrung schreiben wolle. Nach der Versicherung, ich sei völlig frei in meinen Äußerungen und meiner Bewertung, habe ich mich auf das Abenteuer eingelassen und mir ein Rezensionsexemplar schicken lassen. Um mich trotzdem rechtlich abzusichern, habe ich den Artikel als „Werbung“ bezeichnet.
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Ich freue mich: Mein neuer Katalog ist fertig.
Hier lässt er sich online durchblättern
- Interview mit Kolja Reichert im Monopol Magazin
- In meinem Blog setze ich mich auch häufig mit Kunst und ihrer Rezeption auseinander. Einer der kürzlich entstandenen Artikel beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Thema der Kuratierung
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