Vor einem Kunstwerk stehen und drumherum gehen. Kunst von Weitem betrachten und ganz nah. Eintauchen, staunen. Mit Menschen reden, ganz analog. Gestern konnten wir im Kunstbahnhof Wasserburg (KUBA) endlich wieder unsere Ausstellungssaison mit einer richtigen Vernissage eröffnen. Kunstschaffende aus dem Kunstverein haben mit ihrer Kunst zum Thema „Mensch und Natur“ dafür gesorgt, dass der Kunstverein Wasserburg am Bodensee seine neue Saison mit einer spannenden Ausstellung beginnen konnte.
Das gewählte Thema der Ausstellung ist groß. Als ich mir beim Schreiben des Vorworts für den Kunstkatalog Gedanken dazu machte, fühlte ich mich ehrlich gesagt ganz schön überfordert, dieses auf ein, zwei Seiten zu bringen. Zudem sind die Blickwinkel darauf ganz unterschiedlich – das wurde mir bewusst, als ich mit meiner Kollegin Vera Noé die Ausstellung aufbaute und wir uns über das Thema und das Vorwort unterhielten. Ich war überrascht, dass Vera meinen Denkansatz als eher pessimistisch empfand, war ich doch überzeugt, das Thema differenziert beleuchtet zu haben. Wie spannend es ist, wenn sich die Wahrnehmungen unterscheiden – ist dies doch Grundlage für befruchtende Diskussionen, wie wir sie im Verein ganz oft führen.
Mensch und Natur – miteinander oder gegeneinander?
Unser Verhältnis zur Natur ist zwiegespalten. Wir lieben sie, gerade wir Menschen hier am Bodensee genießen ihre Schönheit. Doch wie oft ist sie uns egal, wir fürchten sie oder mögen sie überhaupt nicht – denken wir an Plastikmüll, große Flutkatastrophen oder kleine Krabbeltiere. Wir vergessen oft, dass wir Menschen Teil der Natur sind – und ohne sie nichts.
Spannend ist, wie die Reihenfolge der Aussage ihre Bedeutung verändert: „Mensch und Natur“ klingt anders als „Natur und Mensch“. In der ersten Variante steht der Mensch an erster Stelle. Er ist das Zentrum, um den sich die Natur dreht. Doch betrachtet man Orte, die der Mensch verlassen hat, zeigt sich, dass die Wildnis das, was der Mensch über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte mühevoll kultiviert und urbanisiert hat, innerhalb kürzester Zeit zurückerobert. Und mehr als das: Gerade die aktuellen Krisen, Umweltkatastrophen, Überschwemmungen, Dürren und Vulkanausbrüche zeigen, dass die Natur nicht nur stärker ist, sondern dass das menschliche Voranschreiten und grenzenlose Wachstum häufig Spuren der Verwüstung verursacht. Allzu oft wird aus dem „und“ ein „oder“.
Natur in der Kunst
Ob bei der Darstellung von Pflanzen und Tieren oder der Auseinandersetzung mit Landschaften – in der Kunst spielt die Natur seit jeher eine zentrale Rolle. Sie diente als erhabenes oder romantisches Vorbild, wurde idealisiert und als Paradies dargestellt, doch auch in ihrer Wildheit und Bedrohlichkeit thematisiert. Der Mensch wurde klein und schwach gezeigt, als wertschätzender Genießer und ebenso als Bezwinger und gottgleich. Später setzten sich Malerei und Fotografie mit den Veränderungen infolge von Industrie und Architektur auseinander, zeigten Städte, Bauwerke und die Einflüsse des Menschen, etwa auf die Umwelt. In der modernen Malerei wurde die Natur dekonstruiert und neu zusammengesetzt, angereichert mit Träumen, Gefühlen, Fantasie.
Kunstrichtungen wie die LandArt verorten ihre Werke direkt in der Natur, arbeiten mit den dort vorgefundenen Materialien und lassen sich auf die temporären Zustände ein, um unser Verhältnis zur Landschaft zu erforschen. Direkt oder indirekt ist der Mensch in der Kunst immer Teil der Natur – eingebettet in die Landschaft oder zumindest durch die Präsenz der künstlerischen Handschrift und die inhaltliche Auseinandersetzung.
Unterschiedliche Blicke auf die Natur
Unser Verhältnis zur Natur und damit auch der künstlerische Umgang damit hat sich im Lauf der Zeit immer wieder gewandelt.
- In unserem christlich-abendländischen Naturverständnis, das über 1.000 Jahre Gültigkeit hatte, war das Ganze eigentlich ziemlich einfach: Die Natur ist göttliche Manifestation. Entschlüsselt man ihre Rätselhaftigkeit, dann gelangt man zur Gotterkenntnis. Diese Haltung spiegelte sich ebenso in der Kunst: Der Künstler näherte sich der Natur demütig, mit Hingabe und Bewunderung. Zum klassischen Motivrepertoire gehörte die Landschaftsdarstellung, häufig wurde die Natur dabei groß und ehrfurchtgebietend, der Mensch dagegen klein und ohnmächtig dargestellt (man denke nur an die Bilder von Caspar David Friedrich). Die intimere Schwester der Naturdarstellung ist das Stillleben – Ruhe, die oft mit überbordender Fülle kombiniert ist. Selbst in Portraits findet man die Natur als Blumen, Früchte, Tiere, häufig eingesetzt als Metapher.
- Und in der Moderne? Die Kontemplation, Vertiefung in die Rätsel der Natur bekam dann zum Teil schon fast etwas Anrüchiges, wurde gleichgesetzt mit Realitätsflucht. Sich in die Schönheiten zu versenken, passte nicht sehr gut zusammen mit dem Anspruch, sich als Künstler politisch oder kritisch zu positionieren.
- Heute ist die Natur ein Politikum – man denke an die Diskussionen zur sich rasant verschärfenden Klimakrise und Umweltverschmutzung. Daher haben es Kunstschaffende nicht schwer, sich mit der Natur zu beschäftigen und gleichzeitig ein Statement zu setzen. Andererseits haben wir ein tiefes Sehnen nach Schönheit, nach den ästhetischen Reizen der Natur und ihrer wunderbaren Wirkung auf unsere Psyche, ohne diese analysieren zu wollen. Wie freuen wir uns über das erste zarte Grün im Frühjahr, die Blautöne von Himmel und Meer, die feurigen Herbstfarben und weißen Winterlandschaften.
Kunst darf – so finde ich – heute alles, darf die ganze Palette abdecken: Schönheit zeigen und sich in sie versenken bis hin zum kritischen Statement und der Frage nach der Positionierung des Menschen in der Natur.
Die Vielfalt künstlerischer Positionen
Wie unterschiedlich sich das Thema „Mensch und Natur“ angehen lässt, zeigt auch die Ausstellung des Wasserburger Kunstvereins. 40 kunstschaffende KUBA-Mitglieder haben jede/r für sich einen individuellen Schwerpunkt gefunden.
Das liegt auf der Hand – schließlich hat jede/r seine ganz eigene künstlerische Sprache, verwendet unterschiedliche Techniken und Formate. Die einen arbeiten auf Papier, die anderen auf Leinwand. Die einen arbeiten klein, die anderen groß. Die einen bleiben auf ihrem Bildträger, die anderen gehen mit ihren Materialien in den Raum. Doch auch die inhaltlichen Facetten sind höchst verschieden. So zeigt sich der Mensch als Entdecker, als Bezwinger oder Veränderer der Natur – im Guten wie im Schlechten. Die Werke blicken in die Zukunft und sie betrachten die Gegenwart – kritisch, mit Humor und auch Gefühl. Es gibt intime Augenblicke und große Themen. Die Werke zeigen Vergänglichkeit, Fragilität, Hoffnung. Sie lassen uns staunen, innehalten, stellen Fragen und bringen uns dazu, nach Antworten zu suchen. Muss es „Mensch und Natur“ heißen, „Natur und Mensch“. Oder sogar „Mensch oder Natur?
Die rund 70 ausgestellten Werke aus Malerei, Fotografie, Grafik und Objektkunst verzaubern, bringen zum Staunen und regen zum Nachdenken an. Sie treten miteinander in Kommunikation, geben durch Blickachsen oder Bildmotive, die sich in verschiedenen Werken finden, immer wieder Anregungen, Dinge neu zu entdecken. Sie bitten darum, uns auf die Kritik an unserem Umgang mit der Natur einzulassen, die in vielen der ausgestellten Kunstwerke zu sehen und spüren ist.
Mensch und Natur
Kunstbahnhof Wasserburg (Bodensee)
9. April bis 1. Mai 2022
Fr, Sa, So, 15 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.ku-ba.org
Ein Katalog zur Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Ausstellung im Laden zum Selbstkostenpreis zu erwerben.
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Ich freue mich: Mein neuer Katalog ist fertig.
Hier lässt er sich online durchblättern
Liebe Dagmar,
soso, was du alles so machst! Nach London reisen, Awards abholen….Was bin ich froh, dass ich ein solches Buch bereits seit Weihnachten habe und auch immer mal wieder ansehen kann!
Bist du evtl. am nächsten WE mal im Kuba, dass ich meinen Besuch dort mit dir abstimmen kann? Oder möchtet ihr beide mal wieder zu einem Abendessen bei uns vorbei kommen? Es wird dringend Zeit, dass wir uns wieder sehen!!!
Kannst du dich eigentlich von dem Bild trennen, welches für mich reserviert ist?
Ich bin gespannt, wann du es durch ein neues Lieblingsbild von dir ersetzt:-)
Ich hoffe dir/euch geht es gut und ich treffe dich/euch bald
Eva
Liebe Eva, schön, von dir zu hören. Und uns wiederzusehen, wäre noch schöner :-) Ja, ich trenne mich gern von dem Bild, schließlich kommt es dann in gute Hände. Möchtest du es dir vorher nochmal anschauen? Ich melde mich per Mail. Liebe Grüße, Dagmar