Von der Kunst, sich zu vermarkten

von | 2. Mai 2024 | Ateliergeflüster

Selbstvermarktung in der Kunst: Dieses Foto mit einem Betongebäude, einerseits mit erleuchteten Fenstern, andererseits mit zur Seite gestellten, ungenutzten Tischen ist eine gute Metapher für dieses Thema

Manchmal bin ich einfach müde. Seit einigen Jahren versuche ich als professionelle Künstlerin mit meiner Kunst wenigstens das Brot zu bezahlen. Butter brauche ich nicht unbedingt. Doch momentan reicht es nicht mal für das Mehl. Vielleicht liegt es an der Selbstvermarktung.

Am Anfang habe ich mich begeistert in das Kunst-Abenteuer gestürzt, war guter Dinge, dass auch diese Art der Selbständigkeit so gut funktioniert wie meine bisherigen. Wie naiv von mir. Das Business ist härter als ich mir jemals habe vorstellen können.

Ich denke, das hat unter anderem zwei Gründe. Erstens: der Kunstmarkt ist rau und hart umkämpft (und in vielen Belangen anders als jeder andere Markt). Es wird immer herausfordernder, dort seinen Platz zu finden, zumal immer mehr Kreative auf den Markt strömen, sodass für die meisten statt Tortenstücke nur mikroskopisch kleine Krümel übrig bleiben. Und zweitens: Die Welt und unsere Kommunikation verändern sich rapide. Heute ist es normal, dass Selbstständige ihre Vermarktung in die Hand nehmen. Dank der vielfältigen Möglichkeiten auch kein Problem. Eigentlich.

Pizza mit Smiley aus Basilikumblättern. Macht Selbstvermarktung glücklich?
Marketing ist nichts, was Kunstschaffende unbedingt glücklich macht

Selbstvermarktung als Dreh- und Angelpunkt

Uneigentlich gilt: Je lauter, präsenter, persistenter der Einzelne auftritt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, den Markt zu bespielen. Ich sehe momentan so viele Kolleginnen, die ständig posten – auf Instagram, Facebook, TicToc, YouTube. Da werden Eröffnungen und Finissagen gezeigt und natürlich Eindrücke von allen Tagen dazwischen. Verkaufte Bilder werden – am besten zusammen mit Kundinnen – stolz präsentiert. Das weckt Begehrlichkeiten und spielt der FOMO (Fear of missing out, also die Angst, etwas zu verpassen) in die Hände. Die Prozesse des kreativen Schaffens werden per Reels und Life-Videos gezeigt, wie von Zauberhand entstehen die schönsten Kunstwerke. Mit Blogartikeln, Podcasts und Online-Kursen zeigt man seine Expertise. Selbst das Scheitern wird zelebriert, zumindest in kleinen Häppchen. Das ist wie das Salz in der Suppe und schließlich geht man aus Misserfolgen gestärkt hervor. Heldengeschichten eben.

Natürlich gibt es auch hin und wieder kleinere Einblicke ins Private – Impressionen aus dem Urlaub, der Wanderung, dem Spielabend mit Freunden, dem Konzert. Schließlich möchte man zeigen, dass man ein gebildeter, gesellschaftlich akzeptierter, sozialer Mensch ist. Bestenfalls strickt man ständig an seinen Netzwerken, so dass auch Pressekontakte vorhanden sind und bespielt werden können.

Der Effekt: Der Kunstschaffende und seine Werke sind präsent. Und was man häufig sieht, empfindet man als relevant und mit der Zeit auch als schön (das ist sogar wissenschaftlich untersucht). Wenn es ständig in der Zeitung steht, muss es ja gut sein. Und so füttert sich das Geschehen selbst, wird immer größer und wichtiger. Und aus meinem Empfinden sind häufiger diejenigen besonders sichtbar, die am lautesten schreien, nicht unbedingt diejenigen, die die beste Kunst machen.

Screenshot instagram
Regelmäßig auf Instagram posten – heute als Künstlerin eine nahezu unabdingbare Form der Selbstvermarktung

Der Markt ist das, was man sieht

Mittlerweile gibt es zahlreiche Literatur und Online-Angebote zum Thema Kunstvermarktung; wie in allen Branchen gibt es hier Coaches, die dem Einzelnen zeigen, wie er es am besten angeht. Hilfe zur Selbsthilfe. Diejenigen, die sagen, wie es funktioniert, verdienen allerdings daran meist besser, als diejenigen, die versuchen, das entsprechend umzusetzen.

Dazu kommt das Gefühl, dass ich selbst schuld bin, wenn es nicht klappt. Durch die schöne Welt der sozialen Medien wird die Wahrnehmung verzerrt. Dadurch habe ich den Eindruck, ich sei die Einzige, die kämpft und knabbert und verzweifelt. Und die Einzige, die zu dumm ist, um all die zahlreichen, wohlwollenden, professionellen Vorschläge zum Selbstmarketing richtig umzusetzen.

Da hilft auch nicht das Wissen, dass nur die Oberflächen glänzen: Das, was man zu sehen bekommt, ist nur ein Ausschnitt, wie ein Blick durchs Schlüsselloch, bei dem der größte Teil des Zimmers im Dunkeln bleibt. Ich kenne das natürlich auch aus dem Blickwinkel derjenigen auf der anderen Seite der Tür: Wenn ich erzähle, wie sehr ich oft um Anerkennung meiner Kunst und um schwarze Zahlen auf meinem Konto kämpfe, ernte ich häufig erstaunte Blicke oder große Fragezeichen in den Augen. Schließlich bespiele ich ja auch die Klaviatur der Online-Sichtbarkeit und das Fremdbild generiert sich aus dem, was mein Gegenüber zu sehen bekommt.

Ausstellungen sind notwendig, um gesheen zu werdn und Bilder zu verkaufen. Doch zur Selbstvermarktung gehört mehr.
Einfach still in Aussstellungen präsent zu sein, ist nicht genug…

Selbstvermarktung: Woher die Energie und Zeit nehmen?

Das Anstrengende dabei ist, dass ich zu den Menschen gehöre, die sich bei Gruppenevents eher unwohl fühlen und dort Energie lassen, statt die Batterien aufzuladen. Anfänglich dachte ich, dass mir das Internet da in die Hände spielt, kann ich doch in der Stille meines Ateliers auch anderes als Kunst schaffen.

Doch das täuscht: Auch digital hängt die Sichtbarkeit von Vernetzungstätigkeiten, sich Präsentieren, Gruppendynamiken usw. ab, vor allem auch, wenn digital und analog zusammenspielen. Ich muss aufpassen, dass das Nach-außen-Treten nicht die eigentliche Tätigkeit – nämlich das kreative Schaffen – überlagert. Ich frage mich häufig, wann andere malen, wenn sie ständig im Netz präsent sind und Neues in ihrem Status zeigen. Vielleicht haben sie eine virtuelle Assistentin, die ihnen einen Teil der Tätigkeiten abnimmt. Ich hätte ehrlich gesagt auch gern eine. Aber wie bezahlen?

Foto von Künstlerin in ihrem Atelier. Selbstmarketing für die SIchtbarkeit
Sichtbarkeit – eine Form des Selbstmarketings. Hier hat mich Susanne Mölle in meinen Atelierräumen fotografiert.

Profession versus Hobby

Ganz ehrlich: Ich bin erschöpft. Ich weiß, dass Selbstvermarktung zum Business gehört – eine Künstlerin, die keiner kennt, schafft Kunst, die nicht gesehen und gefunden wird. Doch ich habe das Gefühl, dass die eigentliche Tätigkeit, das wofür ich brenne, dabei auf der Strecke bleibt. Das Verhältnis von Kunstschaffen und all dem Rest fühlt sich alles andere als gut an. Und selbst damit könnte ich noch leben – wenn ich davon leben könnte.

Doch wenn all die Zeit, das Herzblut und Ideen, die Mischung meiner zahlreichen Fähigkeiten, die Begeisterung, Leidenschaft und Professionalität (schließlich bin ich ja auch noch studierte und mehrfach ausgezeichnete Grafikdesignerin) nicht reichen, um die Ateliermiete zu finanzieren, tja, dann bin ich keine professionelle Künstlerin, sondern betreibe ein Hobby. Ehrlich gesagt, kein gutes Gefühl. Besonders zermürbend finde ich den Umstand, dass ich mit meiner Kunst ja auch immer ein Stück von mir zeige. Es ist verdammt schwer, die Situation auf Dauer nicht als Ablehnung meiner Person zu empfinden.

Bewerbungen um Ausstellungsmöglichkeiten sind ein wichtiger Teil meiner Tätigkeit als Künstlerin.

Wo sind die Ideen?

Ich nehme bei Einzel- und Gruppenausstellungen teil. Ich werde zu Artist Residencies eingeladen. Ich schreibe über Kunst und halte Vorträge. Ich produziere Flyer, Broschüren, Kataloge, Künstlerbücher. Ich male und falte, fotografiere und drucke, experimentiere und entwickle mich weiter. Ich bekomme unzählige Rückmeldungen, dass meine Kunst berührt und meine Texte und Vorträge spannend sind – von Kunden, Menschen, die meine Kunst anschauen und meine Texte lesen oder hören. Ich bekomme Anfragen für Buchrezensionen und Kooperationen (Was habe ich davon? Ein kostenloses Belegexemplar o.ä.). Doch ich habe das Gefühl, mich im Kreis zu drehen und mir gehen die Ideen aus, wie ich das weiter als Business fortführen kann. Wer welche besteuern kann, sei hiermit herzlich eingeladen, sie mit mir zu teilen.

Vorträge sind auch eine Form der Selbstvermarktung. Foto von noch leeren Stuhlreihen vor Beginn einer Veranstaltung im Heilig-Geist-Spital, Ravensburg
Vorträge halten – auch eine Form der Selbstvermarktung. Und immer die Hoffnung, dass es ausreichend viele Menschen gibt, die sich für die Kunst und Gedanken dazu interessieren…

Fazit

Eine Unternehmerin in meinem Businessnetzwerk zitierte mal ihre Oma mit „Kurz vor der Geburt sind die Schmerzen am Schlimmsten“. Damals hat mich das aufgebaut. Mittlerweile befürchte ich, dass das Kind langsam an einem Sauerstoffmangel leidet, so lange wie die Geburtswehen schon andauern.

Links:



Nachtrag

Gerade entdecke ich auf meinem Rechner einen Blogartikel, den ich bereits im vergangenen Sommer geschrieben habe. Sein Titel: „Gegen das Aufgeben anschreiben“. Ich fand ihn aber dann so persönlich, dass ich ihn nicht veröffentlicht habe. Stattdessen habe ich damals mehrere Kurse „Kunst als Business“ durchgearbeitet. Offenbar nicht gut genug.

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2 Kommentare

  1. Ich hätte es nicht besser schreiben können.
    Ich versuche gerade mein 9. Buch der Öffentlichkeit vorzustellen, die Werbung frisst unglaublich viel Zeit, in der ich lieber am 10. schreiben würde, aber…
    So steht man mit dem 1. Bein in seiner Kunst, mit dem 2. jedoch muss man in die Vermarktung, und sich trauen Ideen umzusetzen, die das Werk dorthin bringen, wo es hin soll, in meinem Fall zu den Lesern und Liebhabern meiner Lyrik in Verbindung mit Gemälden von Caspar David Friedrich… – was jetzt irgendwie auch schon wieder Werbung ist.

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    • Danke für den Kommentar. Ja, so ist es wohl. Und leider reicht noch nicht mal der Mut, Ideen umzusetzen. Das Bein, auf dem man in seiner Kunst steht. ist leider oft sehr viel dünner als das andere. Und das, obwohl das Vermarktungsbein eigentlich die Krücke sein sollte, mit Hilfe derer die Kunst besser läuft…

      Antworten

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