Jahreshauptversammlung des Kunstvereins – wie immer gehört auch ein Kassensturz dazu. Leider ist in Zeiten wie diesen das Wirtschaften nicht einfach. Wenn Stromrechnungen und Einkaufskosten die Einkünfte wegschmelzen, wird das Budget für anderes kleiner. Gerade Kunst wird von vielen Menschen als Luxus empfunden und fällt oft als erstes weg, wenn die Gürtel enger geschnallt werden.
- Wer bezahlt die Ausstellungen?
- Die prekäre Situation von Kunstschaffenden
- Kunstschaffen(de) angemessen honorieren
- Die Rolle von Kunstvereinen
- Warum Ausstellungshonorare?
- Geld bezahlen statt Ausstellungshonorare erhalten?
- Was Kunst mit Brötchen zu tun hat
Der Vorstand und die Mitglieder diskutieren darüber, wie der Verein seine finanzielle Situation verbessern kann. Ausgaben verringern, Einnahmen erhöhen – eine einfache Formel, doch in der praktischen Umsetzung schwierig. Wo kann gestrichen werden? Wieviel Kleinvieh macht überhaupt Mist? Wie schafft man Kürzungen, ohne Abstriche beim Angebot zu machen oder sogar den Zielen der Vereinssatzung nicht mehr gerecht zu werden?
Umgekehrt: Wie lassen sich zusätzliche Einnahmen generieren? Sichere Einkünfte, bei denen der Verein nicht in Vorleistung gehen muss, ohne zu wissen, ob sich die Idee amortisiert? Einfache Antworten darauf gibt es naturgemäß nicht.
Wer bezahlt die Ausstellungen?
Wie immer wieder in der Vergangenheit kommt auch diesmal ein Vorschlag auf den Tisch: Die Ausstellenden sollen eine Gebühr bezahlen. Am Anfang der Vereinsgründung vor über 10 Jahren war das Usus. Es gab nur wenige Mitglieder und dadurch kaum Mitgliedsbeiträge, die Kasse musste erst einmal gefüllt werden. Die Ausstellenden waren anfänglich fast nur aktive Kunstschaffende des Vereins, jeder wollte dem Herzensprojekt Flügel verleihen. So war es normal und akzeptiert, dass die ausstellenden Kunstschaffenden sich mit einem finanziellen Beitrag an den Kosten etwa für die Kommunikationsmaterialien beteiligen.
Mit der Zeit kamen immer mehr neue Mitglieder hinzu, es wurde gut gewirtschaftet und bei den Ausstellungen und im Laden Kunst verkauft. Der Verein erhielt dabei immer einen gewissen Anteil. Die Werbemaßnahmen wurden verstärkt, der Verein wurde bekannter, sodass sich zunehmend professionelle Künstler:innen aus ganz Deutschland und angrenzenden Ländern bewarben.
Irgendwann wurde bei den Vorstandssitzungen auch der Punkt der finanziellen Beteiligung diskutiert. Ist diese noch zeitgemäß und angemessen? Soll der Verein wenigstens Reisekostenzuschüsse gewähren? Wie lässt sich das gerecht gestalten?
Dann kam die Corona-Pandemie und die ohnehin schon prekäre Lage der Kunstschaffenden verschärfte sich. Vorstand und künstlerischer Beirat des Verein war sich schnell einig, bis auf Weiteres auf die Ausstellungsgebühr zu verzichten, um die Betroffenen wenigstens ein bisschen zu entlasten. Tja, Corona ist mittlerweile vorbei, dafür gibt es eine Menge anderer Krisen. Und das Thema steht erneut zur Debatte.
Die prekäre Situation von Kunstschaffenden
Kürzlich habe ich bereits zum zweiten Mal einen Vortrag darüber gehalten, was Kunst kann. Sie als Luxusgut einzustufen, ist genauso kurzsichtig, wie Kunst-, Sport- und Musikunterricht in den Schulen zu streichen oder die Schreibschrift abzuschaffen. Kunst kann Krankheiten wie Depressionen und Demenz vorbeugen, heilen, das Wohlbefinden steigern, die Produktivität und Kommunikation in Unternehmen verbessern und vieles mehr. Sie ist wichtiger Pfeiler der Demokratie und alles andere als ein Luxusgut für einige wenige – wie unser ehemaliger Bundespräsident Richard von Weizsäcker bereits vor Jahrzehnten klug erkannt hat.
Umso erschreckender ist die finanzielle Situation von Kunstschaffenden. Auch darüber habe ich in meiner Rede kurz berichtet, es gibt ja zahlreiche Untersuchungen dazu. Ein Großteil der Bildenden Künstler:innen hat Einnahmen, die unter dem Bürgergeld liegen. Und ich wage zu behaupten, dass es kaum einen anderen Berufsstand gibt, in dem – um zu überleben – solch eine hohe Prozentzahl seiner Mitglieder Tätigkeiten nachgeht, die nichts mit ihrer Profession zu tun haben.
Kunstschaffen(de) angemessen honorieren
Als Mitglied im Berufsverband der Bildenden Künstlerinnen und Künstler weiß ich, dass seit Jahrzehnten und in den letzten Jahren verstärkt sich die verschiedenen Künstlervertretungen für rechtlich verpflichtende Ausstellungshonorare einsetzen. In einigen anderen Ländern sind diese bereits seit längerem selbstverständlich, etwa Schweden und Kanada. In Deutschland gibt es zumindest einige Bundesländer, die Mindesthonorare für Ausstellungen im kommunalen Raum eingeführt haben oder auf dem Weg dorthin sind.
Laut aktuellem „Handbuch Bildende Kunst“ des BBK Bundesverbandes (aus dem Jahr 2021) läge in einem kleinen Kunstverein mit Besuchszahlen unter 10.000 Gästen pro Jahr die Vergütung für eine 4-wöchige Ausstellung bei mindestens 1.200 Euro. Dort steht im Übrigen nicht nur, dass bis auf wenige Ausnahmen eine Ausstellungsvergütung angemessen ist, sondern auch, dass die Drittkosten von den Veranstalter:innen übernommen werden (und nicht gegen eine Ausstellungsvergütung aufzurechnen sind). Dazu gehören zum Beispiel Transportkosten, Ausstellungstechnik, Öffentlichkeitsarbeit, Raummiete und Kosten für Vernissage, Finissage, Veranstaltungen, Catering und Spesen.
Ich weiß, dass mit solch hohen Honoraren die meisten Kunstvereine nicht überleben könnten, zumindest nicht ohne Sponsoren und öffentliche Fördergelder. Doch diese Zahlen geben einen Anstoß, darüber nachzudenken, dass Kunst etwas wert ist und Künstler:innen nicht draufzahlen und das gesamte Risiko tragen sollten.
Die Rolle von Kunstvereinen
Kunstvereine haben sich auf die Fahnen geschrieben, Kunst der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie besetzen das Feld zwischen Museen / Galerien / Auktionshäusern und „einfachen Leuten“. Und sie sind auch oft diejenigen, die auch weniger bekannte Künstler:innen ausstellen und ihnen damit als Sprungbrett dienen können.
Interessanterweise gibt es Argumentationen, dass ausgerechnet Kunstvereine mit ihrem Willen, Kunst zu demokratisieren und eigenständige Kunst zu fördern, für die prekäre Situation von Kunstschaffenden mitverantwortlich sind.
Dafür muss man etwas ausholen. Zu Beginn des 19. Jahrhundert entstanden in ganz Deutschland erstmals Kunstvereine, aus dem Wunsch heraus, Kunst auch den Bürgern zugänglich zu machen. Vorher hatten nur Menschen mit Geld, in der Regel Vertreter der Aristokratie, Zugang zur Kunst – indem sie Künstler:innen dafür bezahlten, sich privat mit Kunst umgeben zu können.
Die Kunstvereine dagegen stellten Kunst öffentlich aus, jedoch ohne eine entsprechende Honorierung. Dafür waren zu Beginn die Kunstvereine meist in Form von Aktiengesellschaften organisiert: Die Mitglieder konnten Aktien erwerben. Die Vereine nutzten diese Einnahmen zum Kauf von Kunstwerken, die wiederum an die einzahlenden Mitglieder verlost wurden. Je mehr Aktienanteile ein Mitglied gekauft hatte, desto öfter durfte es an der Verlosung teilnehmen. Damit war – anders als heute – immer ein Ankauf von Kunst gewährleistet.
Ein weiteres Ziel der Kunstvereine war aber auch, den Marktpreis für Kunst zu senken, um sie weniger elitär und mehr Menschen zugänglich zu machen. Das hatte zur Folge, dass die Einnahmen der Künstler:innen sanken. Heute kommt dazu, dass Vereine bei ihrer Arbeit Verkäufe oft weniger in den Vordergrund stellen. Und gerade dadurch, dass sie auch Kunst ausstellen, die frisch und anders (und damit weniger „marktkonform“ ) ist, sind diese nicht immer gewährleistet.
Warum Ausstellungshonorare?
Egal wo Kunst gezeigt wird: Eine Ausstellung bedeutet eine (temporäre) öffentliche Nutzung der Arbeitsergebnisse von Kunstschaffenden. Da es in der Regel Unikate sind, sind diese während der Ausstellungszeit auch nicht anders verwendbar. In anderen Branchen ist es selbstverständlich, dass Leistungen bezahlt werden – so bekommen die Druckereien Geld für die Flyer, die Musiker für die Ausstellungseröffnungen, die Catering-Unternehmen für das Essen oder die Fotografen für die professionelle Dokumentation.
Nur diejenigen, die Kunstwerke schaffen, sollen froh darüber sein, dass sie umsonst arbeiten müssen oder mehr noch, die Ausgaben übernehmen sollen – etwa Kosten für die Fahrt- und Übernachtung, Vernissage oder Marketingmaßnahmen. Oft genug stellen sie zudem noch ihre Zeit zur Verfügung: für den Ausstellungsaufbau und -abbau, die Reisen und Führungen. Nicht zu vergessen die Stunden, die der Betroffene bereits vorher investieren musste, um Bewerbungen zu schreiben und Info-Material zusammenzustellen (mal ganz abgehen vom Schaffen der Kunst).
Falls etwas verkauft wird, erhält die Galerie oder der Verein eine Beteiligung, falls nicht, hat der Kunstschaffende eine Minusrechnung. So oder so: Das Risiko trägt bei solchen Modellen immer sie/er.
Geld bezahlen statt Ausstellungshonorare erhalten?
Bei längerem Nachdenken mutet es seltsam an, dass Institutionen, die Ausstellungen machen, nicht diejenigen bezahlen wollen, die dafür sorgen, dass sie ihre Aufgabe durchführen können. Mich erinnert das an die Geschäftsmodelle der Druckkostenzuschussverlage. Diese profitieren davon, dass viele Menschen endlich ein eigenes, in einem Verlag erschienenes Buch in den Händen halten wollen und bereit sind, dafür viel Geld zu bezahlen – eben einen Zuschuss zu den Produktionskosten. Seriöse Verlage dagegen wissen, dass sie ohne die professionellen Autor:innen keine Existenzberechtigung haben. Die Schreibenden liefern die Inhalte, die Verlage nutzen ihr Know-how und ihre Marketing- und Vertriebskanäle, um kosteneffizient schöne Bücher zu produzieren und diese unter die Menschen zu bringen. Die generierten Einnahmen werden in bestimmten Verhältnissen geteilt.
Genauso funktionieren seriöse Galerien: Die Kreativen liefern die Kunst, die Galerien beraten, kümmern sich um die Netzwerke und die Vermarktung. Dazu versuchen sie, die von ihnen vertretenen Künstler:innen langfristig aufzubauen, damit deren Marktwert steigt und sich die Investitionen bezahlt machen. Das Risiko, dass sich der Einsatz von Zeit und Geld nicht auszahlt, wird geteilt, der Gewinn ebenso. Das ist übrigens auch der Grund, warum das Argument, das auch immer wieder genannt wird – Galerien bekommen doch 50 %, da sollten wir als Verein beim Verkauf auch mehr bekommen –, nicht überzeugt: Vereine bauen keine Kunstschaffenden auf, sondern veranstalten mit ihnen einmalige Events. Zudem bezahlen sie anders als Galerien in der Regel keine Abgaben an die Künstlersozialkasse.
Was Kunst mit Brötchen zu tun hat
Ich muss gestehen, dass mich die Einstellung „Die Künstler sollen doch froh sein, sich zeigen zu dürfen“, mittlerweile oft richtig sauer macht. Ich habe an anderer Stelle in meinem Blog schon das Beispiel gebracht: Versuchen Sie mal einem Bäcker schmackhaft zu machen, dass er seine Brötchen auf einer Messe verschenkt, weil er damit zeigen kann, wie gut diese schmecken, und damit vielleicht potenzielle Käufer gewinnt.
Ob die Maschinerie anspringt – Zeitungsberichte geschrieben werden, Galerien anbeißen, Menschen die ausgestellte Kunst kaufen – hängt oftmals nicht mit der Qualität der Kunst zusammen, sondern von vielen anderen Faktoren ab. Und bis dahin sollen diejenigen, ohne die der Ausstellungsbetrieb nicht möglich wäre, in Vorleistung gehen und dafür auch noch dankbar sein. Ich finde das absurd.
Fazit
Aus meiner Sicht muss sich die derzeit nach wie vor gängige Praxis, keine Honorare zu zahlen oder sogar Bewerbungs- oder Ausstellungsgebühren zu verlangen, zwingend ändern. Es sollte umgekehrt sein: Diejenigen, die mithilfe der Kunstschaffenden gute Kunst zeigen und Kunst vermitteln können, sollten selbstverständlich die Menschen, die ihre Leistung dafür zur Verfügung stellen, honorieren. Das muss Teil des Businessplanes sein und ebenso fix als Ausgaben geplant werden wie Geld für Werbemittel. Dies ist nicht nur eine Form der Wertschätzung den Kunstschaffenden gegenüber, sondern eine Notwendigkeit, um auf lange Sicht zu gewährleisten, dass professionelle Kunst entstehen und ausgestellt werden kann.
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Ich freue mich: Mein neuer Katalog ist fertig.
Hier lässt er sich online durchblättern
Weitere Links:
- Zum Thema rund um die Kosten und Tätigkeiten von Kunst und Kunstschaffenden habe ich bereits einige Blogartikel geschrieben:
Was kostet Kunst
Was macht eine Künstlerin eigentlich den ganzen Tag
Was kostet eine Ausstellungsbewerbung – ein Plädoyer - Im Gespräch mit Lisa Bergmann
- Ausstellungsvergütung aus der Sicht von verdi
- Ausstellungshonorare in Berlin
- Digitales Handbuch „ProKunsT – Handbuch Bildende Kunst“ des BBK Bundesverband, 6. Auflage Oktober 2021, ca. 190 Seiten, bestellbar auf der Webseite des BBK
- Honorarrechner des BBK für Bildende Künstler:innen
- Priller, Eckhard: Von der Kunst zu leben. Die wirtschaftliche und soziale Situation Bildender Künstlerinnen und Künstler – Expertise zur Umfrage 2020. Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (Hrsg.). Berlin, 2020.
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