Was kostet eine Ausstellungsbewerbung – ein Plädoyer

von | 4. April 2023 | Kunstwissen

Ausstellungsansicht: mehrere Gemälde und Objekte in einem Galerieraum

Dieser Titel steht ich schon länger auf meiner Liste mit Ideen für Blogartikel. In meinem letzten Newsletter habe ich meine Leserinnen und Leser gefragt, welche von mehreren vorgeschlagenen Themen ich mir als nächstes vornehmen soll. Dieses war auch unter den Wünschen.

In mein Postfach flattern häufig Ausschreibungen für Kunstausstellungen, einige finde ich auch selbst bei der Recherche und setze sie auf meine Liste mit Ausstellungsmöglichkeiten. Doch mittlerweile bemerke ich häufiger bei mir eine Unlust, mich zu bewerben. Zunächst habe ich das darauf zurückgeführt, dass ich erschöpft bin, letztes Jahr war ziemlich viel los. Doch momentan ist es etwas entspannter und ich spüre noch immer Unwillen. Na gut: Ich denke darüber nach, woran das liegt. 

Ausstellungen für die Sichtbarkeit

Vermutlich kennen das viele Kunstschaffende: Am Anfang freut man sich über jede Möglichkeit, die eigene Kunst zu zeigen. Man bewirbt sich an allen Stellen, die einigermaßen seriös erscheinen – und das sind nicht unbedingt nur Galerien oder Kunstvereine. Mit der Zeit wird man wählerischer und schaut sich die Örtlichkeiten und Bedingungen genauer an. 

Zudem erhält man regelmäßig Post vom Berufsverband Bildender Künstler BBK und liest, dass dieser sich dafür einsetzt, dass Kunstschaffende für Ausstellungen ein Honorar bekommen. Ein zunächst vielleicht etwas befremdlicher Gedanke, aber bei näherem Anschauen durchaus gerechtfertigt. Tragen doch ansonsten die Ausstellenden das komplette Risiko, haben die Aufwendungen für Material, Fahrt- und evtl. Übernachtungskosten, ohne Garantie, etwas zu verkaufen. Findet dann ein Werk einen neuen Besitzer, geben die Kunstschaffenden einen Teil des Honorars an den Raumgeber ab. Und das ist der beste Fall. Oft genug wird auch noch erwartet, dass die Künstler Raummiete bezahlen, für ihre Vernissagekosten und / oder die Kommunikationsmaterialien aufkommen.

Bei Bewerbungen für Ausstellungsmöglichkeiten wird zudem oft genug eine Bearbeitungsgebühr verlangt – zwar meist nicht allzu hoch, aber auch das läppert sich über das Jahr. Wohlgemerkt: Ich rede von Kosten für die Bearbeitung der Bewerbung. Diese bezahlt der Kunstschaffende auch, wenn er nicht angenommen wird. Das wäre so, wie wenn Arbeitgeber Gebühren dafür erheben, wenn sich Fachleute bei ihnen bewerben. Übrigens: Es kann durchaus passieren, dass nur diejenigen informiert werden, deren Bewerbung erfolgreich war. Ein Thema von Angebot und Nachfrage. Und vermutlich auch der (geringen) Wertschätzung.

Hier war die Bewerbung erfolgreich: Wand mit 14 Gemälden in einer Ausstellung
Ausstellungsansicht (Kunstgalerie Kulturhaus Caserne, Friedrichshafen)

Bewerbungsprozess

Der dritte Aspekt – und das ist der, um den es mir hier besonders geht – ist das Procedere der Bewerbungen. Ich habe gerade bei einer Ausstellungseröffnung mit Kolleginnen aus dem Schwesternverband BBK Schwaben Nord zusammengesessen und wir haben festgestellt, dass wir alle das gleiche Problem haben. Beide Verbände sind im Süddeutschen Raum sehr gut vernetzt und können so den Mitgliedern zahlreiche Ausstellungsmöglichen anbieten – was natürlich super ist. Einige davon ohne Jurierung, etwa die jährlichen Mitgliederausstellungen. Dafür wird dann nur die Anzahl der Werke pro Kunstschaffenden festgelegt, eventuell auch die maximalen Abmessungen. Dann bringt man zu einem festgelegten Termin seine Werke dorthin und das wars. 

Der größte Teil jedoch durchläuft ein Jurierungsverfahren: Aus den eingereichten Werken wird eine Auswahl getroffen, die vielfältig ist, gut zusammenpasst, qualitativ überzeugt und das Thema spannend abbildet. Die Kriterien im Einzelnen variieren je nach Ausstellung, Platz und Jury. Das seit jeher übliche Verfahren: 

  • Die Künstler:innen bringen ihre Einreichungen vor Ort vorbei. Dazu müssen meist Zettel nach einem vorgegebenen Muster ausgefüllt und an den Werken befestigt werden, die Bilder mit Rahmen und Hängevorrichtung versehen, dazu eine Liste mit Kontaktdaten und Bildinformationen ausgefüllt sein. Manchmal wird auch ein frankierter Rückumschlag gefordert, damit die Jury das Ergebnis schriftlich mitteilen kann (obwohl die Mailadresse auf dem Formular natürlich angegeben ist. Aber diese müsste dann händisch abgetippt werden).
  • Die Jury trifft sich und die Bildauswahl; anschließend werden die Künstler:innen informiert. Die nicht genommenen, also „ausjurierten“ Werke müssen abgeholt werden, in vielen Fällen bereits vor Beginn der Ausstellung, weil der Lagerplatz begrenzt ist. Die übrigen Werke dann nach Ausstellungsende.
  • Hin und wieder kann es sogar passieren, dass die Einreichungstermine für zwei parallel laufende Ausstellungen an zwei verschiedenen Tagen ist, etwa weil sich die Jury in unterschiedenen Zusammensetzungen trifft.
Ein rotes Auto wir mit Bildern beladen, um sie in eine Ausstellung transportieren

Persönliche Einreichung versus Fotojurierung

Warum bitte, liebe Juries, ist es nicht möglich, auf Fotojurierung umzustellen? Ich weiß, die Beurteilung ist einfacher, wenn die Werke nebeneinander aufgestellt und auch in ihrer Größen- und Raumwirkung beurteilt werden können. Trotzdem: Ich behaupte, dass Jede:r mit ein bisschen Erfahrung und gutem Willen auch fähig ist, die Auswahl aus analog oder digital eingereichten Fotos zu treffen und sich vorzustellen, wie die Werke wirken. Bei überregional ausgeschriebenen Ausstellungen ist das doch auch schon länger Usus. Hier meine Gründe im Einzelnen:

  • Die beiden BBKs Schwaben im süddeutschen Raum vertreten Kunstschaffende, die örtlich breit verteilt sind. Bei Ausschreibungen z.B. in Irsee, Füssen oder Augsburg fahren BBK-Mitglieder aus Lindau 100 bis 150 km – pro einfache (!) Strecke. Das sind entsprechende Spritkosten und 2–3 Stunden reine Fahrzeit nur für eine Hin- und Rückfahrt. Selbst wenn man Fahrgemeinschaften bildet, bleiben 1–2 Fahrten zum Bringen und Abholen der ausjurierten bzw. ausgestellten Bilder; möchte man dann noch bei der Eröffnung teilnehmen, kommt eine weitere Fahrt hinzu. In Irsee zum Beispiel stellen in diesem Jahr rund 70 Künstler aus. Wie viele dazu kommen, die sich beworben haben, aber ausjuriert worden sind, weiß ich nicht, aber sicher noch einige. Selbst bei 2-er Teams bleiben damit noch mindestens rund hundert Fahrten. Ökologisch der reine Wahnsinn. Vom Zeitaufwand und den Spritkosten abgesehen.
  • Die Termine für die Einlieferung sind häufig unter der Woche. Es soll unter den Kunstschaffenden auch jüngere geben, die Kinder versorgen müssen und sich nicht einfach mitten am Tag etliche Stunden freischaufeln können. Oder die noch einen zusätzlichen Job haben, um sich über Wasser halten zu können.
  • Diese Form mit persönlicher Einreichung empfinde ich als undemokratisch. Was ist mit Installationen und sperriger Kunst? Kann man wirklich verlangen, dass diese für die Jurierung vorbeigebracht wird? Die Kollegin erzählt mir, dass sie einmal erlebt hat, wie ein Künstler eine große Skulptur mit einem extra ausgeliehenen Hänger zur Jurierung angeliefert hat. Und diese wurde dann noch nicht mal genommen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Mitglieder auf eine Einreichung verzichten, weil sie solche Art von Kunst machen.
  • Damit wird auch die Vielfalt der Ausstellungsmöglichkeit beschnitten. Wenn Etliche deshalb nicht einreichen, kann man keinen Querschnitt der Kunst zeigen.
  • Wenn ich nicht dabei bin, kann ich mir die Zeit und den Aufwand sparen, die Hängezettel und Einreichungsunterlagen fertig zu machen. Und – falls es ein neueres Werk ist – spare ich mir den Rahmen (den ich womöglich erst für die Ausstellung kaufe oder anfertigen lasse).
  • Die Einreichung physischer Werke bedeutet auch immer, dass diese eher möglicher Schädigung ausgesetzt sind. Wenn sich 100–200 Kunstwerke vor Ort befinden, die alle mehr oder weniger gleichzeitig angeliefert werden, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, alles im Blick zu haben. Da die Verpackungsmaterialien aus Platzgründen von den Künstler:innen wieder mitgenommen werden, bleiben die „nackten“ Arbeiten dort. Werke auf langen Papierbahnen, die ungeschützt auf dem Boden liegen – und über die der eine oder die andere einfach drüber läuft. Bilder in Plexiglasrahmen mit einem Schild und dem Vermerk „bitte nichts dagegen stellen, empfindliche Oberfläche“, die mit fünf anderen Bildern gestapelt werden. Ösen, die davor gestellte Bilderrahmen verkratzen. Skulpturen, die auf dem Boden stehen und angestupst werden. Das sind einige Beispiele, die Kolleg:innen und ich bereits erlebt haben – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Und wie sinnvoll ist es, so viele wertvolle Werke an einem Ort zu versammeln, von denen dann nur ein Teil den Weg in die Hängung findet? Beim Überschlagen der Irsee-Preisliste komme ich auf einen Versicherungsbetrag von 100.000 Euro – und das sind nur die ausgestellten Werke!
  • Es ist sinnvoll, die ausstellenden Kunstschaffenden als Verteiler etwa für die Presse zu nutzen, zumal wenn sie örtlich breit gestreut sind. Häufig bieten Kunstvereine die Möglichkeit für Mitglieder, Informationen über den internen Verteiler zu schicken. Doch sie benötigen zur Koordination etwas Vorlauf. Wenn ich erst ein paar Tage vorher weiß, ob ich mitmache, ist das zu spät. Bei Fotojurierungen können die Ergebnisse mit mehr Abstand mitgeteilt werden.
Großer Raum, in dem zahlreiche Kunstwerke an die Wand gelehnt sind und auf dem Boden liegen. Vorbereitung für eine Ausstellung

Deshalb mein Plädoyer an die Verantwortlichen: Stellt bitte in naher Zukunft auf eine zeitgemäße Fotojurierung um. Es ist inkonsequent, sich einerseits für Ausstellungshonorare stark zu machen, anderseits an der persönlichen Einreichung für das Jurierungsprocedere festzuhalten. Die Kunstschaffenden und die Umwelt werden es euch danken!


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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für einen weiteren interessanten Blogbeitrag. Wie wird es denn gehandhabt wenn z.B. Bilder in einer Arztpraxis etc. ausgestellt werden dürfen. Ist es hier üblich dass Miete gezahlt wird oder wird bei Verkauf ein gewisser Prozentsatz abgegeben. Wenn ja, wie hoch ist in der Regel so ein Prozentsatz? Danke im Voraus für Ihre Antwort.

    Antworten
    • Ich denke, da gibt es kein „übliches“ Procedere. Ich würde es so handhaben, wie es sich für beide Seiten stimmig anfühlt. Ich persönlich würde jedenfalls keine Miete bezahlen, sondern allenfalls eine Vergütung (oder anderen Gegenwert) aushandeln. Schließlich gebe ich ja den Räumlichkeiten etwas mit meiner Kunst und habe die Arbeit, die Transportkosten, Materialkosten etc.. Deshalb macht sich der BBK ja bereits seit Jahren für eine Ausstellunsgvergütung stark und Artotheken verleihen Kunst gegen Gebühr…
      Klar dürfen sich die Kunstschaffenden über die Möglichkeit freuen, sichtbar zu sein. Doch ebenso sollten die Raumgeber dafür dankbar sein, dass Kunst ihre Räume verschönert. „Bilder dürfen in einer Arztpraxis ausgestellt werden“? Aus meiner Sicht eher: „Die Arztpraxis darf Bilder ausstellen.“

      Antworten

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