Als mich vor einigen Monaten ein Kollege fragte, ob ich mir vorstellen könne, in einem Wasserburger Hotel auszustellen, wollte ich zunächst spontan absagen. Doch dann überwog meine Neugier: Wie ist es wohl, in einem Hotel Kunst aufzuhängen? Schaut sich das überhaupt jemand an? Wie behauptet sich Kunst in solch einem Kontext? Und: Was kann ich daraus lernen?
Ich kannte das Hotel Lipprandt in Wasserburg bis dahin nur oberflächlich: zwei, drei Mal war ich in dem sehr guten Restaurant essen gewesen. Was ich außerdem wusste: Das Hotel ist seit Jahren auch ein Sponsor der Skulptura, einer alle 2–3 Jahre stattfindenden Skulpturenausstellung im Ort. Da ich die Kommunikationsmaterialien dafür gestalte, hatte ich das Logo mehrfach in den Katalog eingebaut. Dass dort auch seit Jahren Kunst in den Fluren hing, war mir dagegen nicht klar – als Restaurantbesucherin stromert man in der Regel nicht durch den Hotelbereich.
Ich schlief einige Nächte drüber. Dann entschied ich, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, Informationen über mich und meine Kunst zu schicken und mich bei Interesse erstmal unverbindlich mit den Hotelbesitzern zu treffen. Kurze Zeit später meldete sich die Familie, mein Portfolio hatte sie überzeugt. So machten wir einen Termin für einen ersten Kennenlernbesuch aus – zu diesem Zeitpunkt für mich noch mit Open End. Oft lasse ich in solch ungewohnten Situation meinen Bauch sprechen. Also hieß es: ehrlich sein und gut zuhören.
Warum ich zunächst Bedenken hatte, in einem Hotel auszustellen
Um meine anfängliche Zurückhaltung zu erklären, muss ich ein bisschen ausholen. Der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) setzt sich seit etlichen Jahren dafür ein, dass Künstler ein Ausstellungshonorar erhalten (so wie die Musiker bei Vernissagen oder Caterer bei Festen selbstverständlich eine Vergütung bekommen). Der Grundtenor: Die Kunstschaffenden haben neben ihrem eigentlichen Job, dem Kreativsein, viel Arbeit mit dem Aufhängen und den Arbeiten drumherum. Sie haben Material-, Transport- und Reisekosten und dabei keinerlei Garantie, dass ein Werk verkauft wird. Die Galerien und Kunstvereine, Restaurants und Arztpraxen dagegen haben immer etwas davon: hochwertige Ausstellungen, ansprechende Räume, zufriedene Gäste.
Es gibt Länder, in denen bereits seit Jahren eine Ausstellungsvergütung bezahlt wird, etwa Kanada. Und wer seine Räume verschönern will, soll Kunst kaufen oder mieten – schließlich ist das ja genau das, wovon Kunstschaffende leben. Letztlich ist es eine Frage der Wertschätzung und Achtung vor der Profession der Künstler. Das ist vielleicht vergleichbar mit Buchverlagen: Ohne Autoren hätten diese keine Daseinsberechtigung. Deshalb zahlen seriöse Verlage in der Regel einen – nicht zurückzahlbaren – Vorschuss und pro verkauftem Buch behalten sie einen Anteil ein, um ihre Produktions- und Marketingkosten zu decken und Gewinn zu erwirtschaften (schließlich müssen ja auch bei ihnen Miete und Mitarbeitende gezahlt werden). Damit ist das Risiko verteilt und der Autor zahlt nicht noch drauf, wenn der Verlag keine Werbung macht oder die Verkaufsmöglichkeiten falsch einschätzt, zeitgleich ein ähnliches Konkurrenzprodukt erscheint oder es Verwerfungen im Markt gibt.
Ein weiterer Aspekt für mein Zögern: Eine Ausstellung in Galerieräumen einzurichten, ist etwas anderes als ein Hotel zu bespielen. Im Hotel gibt es sehr unterschiedliche Bereiche, Treppenhäuser, enge Korridore. Die Kunstpräsentation läuft quasi nebenher. Nicht zu vergessen, dass Menschen sich mit Rucksäcken und Koffern durchs Haus bewegen. Das spielt zum Beispiel für die Auswahl der Orte und der Höhe, wo die Bilder aufgehängt werden, eine Rolle.
Warum ich mich trotzdem für die Ausstellung im Hotel entschieden habe
Mit dieser Sicht fiel es mir im ersten Moment schwer, mich auf solch ein Setting „Kunst im Hotel“ einzulassen. Doch dann habe ich – glücklicherweise – angefangen, die Situation differenzierter anzuschauen. Klar hat ein Hotel Vorteile von solch einer Ausstellung: ein ansprechendes Ambiente für die Gäste, eine angenehme Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter. So wie im Restaurant kein Einheitsbrei aus der Dose serviert wird, gibt es dann auch im Hotel einzigartige Kunst statt millionenfach produzierter Drucke im Standardrahmen – etwas Besonderes. Nicht umsonst haben „Art-Hotels“ in den letzten Jahren einen ziemlichen Aufschwung erfahren.
Aber ist das nicht auch für mich eine wunderbare Gelegenheit? Vielleicht nichts, was auf einer klassischen Ausstellungsvita etwas hermacht, aber trotzdem mit etlichen positiven Aspekten.
Der erste Vorteil liegt klar auf der Hand: Viele Menschen nähern sich Kunst in einem solchen Umfeld weniger voreingenommen, als wenn sie zum Beispiel in einer Galerie hängt. Ich mache mich seit geraumer Zeit dafür stark, dass Kunst für jeden Menschen zugänglich sein sollte, und nicht auf einem elitären Sockel stehen muss. Sie ist auch ohne Studium begreifbar und erschließt sich vor allem über das Herz. Dafür ist eine Hotelumgebung sicher gut geeignet, nicht nur weil die Menschen dort oft entspannt und in Urlaubsstimmung sind:
- Hängen Bilder an den Wänden eines Hotels, vermitteln sie das Gefühl, das Kunst ganz selbstverständlich Teil des Alltag sein kann. Zumal es in diesem Fall ein schönes, sympathisches Hotel mit dem Claim „Mein Zuhause am See“ ist. Wenn dort Unikate einfach an den Wänden hängen können, warum sollte das nicht auch im eigenen Wohnraum daheim möglich sein?
- Die Gäste können die Kunst beiläufig oder in Ruhe anschauen, wenn sie wollen, auch immer wieder – ohne dass ihnen jemand dabei im Nacken sitzt oder das Gefühl entsteht, sie müssten dazu etwas Kluges sagen. Sie können die Werkliste durchsehen und sich eine Meinung darüber bilden, ob aus ihrer Sicht die Kunst zu teuer oder vielleicht sogar erstaunlich günstig ist. Die Entscheidung, ob das Werk gefällt oder nicht, kann einfach so getroffen werden, ohne Rechtfertigung und ohne das Gefühl, man sei gezwungen, sich mit der Kunst auseinandersetzen. Nein, wenn sie nichts bedeutet oder auslöst, darf man auch ganz einfach daran vorbeigehen.
- Umgekehrt kann sie aber auch genauso gut zum Dialog einladen, und das ganz niederschwellig. Vielleicht warten mehrere Hotelgäste am Fahrstuhl und beginnen, sich über ein dort hängendes Werk zu unterhalten. Oder der Gast öffnet neugierig den QR-Code neben einem Bild und hört sich an, was ich dazu erzähle. Im besten Fall regt das zu weiteren Gedanken oder neuen Blickwinkeln an, macht Kunst vielleicht etwas zugänglicher. Möglicherweise entsteht dadurch sogar das Bedürfnis, mich in meinem Atelier zu besuchen, mit mir direkt ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und mehr über meine Arbeitsprozesse zu erfahren.
- Vielleicht spiegelt auch das eine oder andere Bild genau das Gefühl, was der Gast dort im Urlaub empfindet? Schließlich sind die Kunstwerke von meinem Leben in der Bodenseeregion inspiriert, gefüllt mit dem, was die Natur hier bei mir auslöst und bewirkt. Ich male zwar keine realistischen Landschaftsbilder, aber die Gefühle von Landschaften, von Energie und Stille, von Gerüchen, Tönen und Jahreszeiten.
- Das Angebot, solch ein Kunstwerk während des Aufenthalts immer wieder zu beliebigen Zeiten intensiv oder beiläufig anschauen zu können, ist etwas Besonderes. Und falls man sich so richtig verguckt, kann man sogar darüber nachdenken, das Bild zu erwerben und damit ein einzigartiges Stück Urlaubsgefühl mit nach Hause nehmen.
Für mich hat solch eine Ausstellung im Hotel weitere Vorteile:
- Ich erreiche mit meiner Kunst ein großes Publikum und immer wieder neue Menschen.
- Ich habe – zumindest in diesem Fall – eine Einzelausstellung mit einer sehr großen Ausstellungsfläche über mehrere Etagen. Ich kann also viele Aspekte meiner Kunst zeigen und mir dazu ein passendes Konzept überlegen.
- Die Hängung ist langfristig geplant, dem initialen Arbeitsaufwand steht also – anders als bei meist wenigen Wochen dauernden Ausstellungen in Kunstvereinen und Galerien – eine lange Phase mit wenig Aufwand gegenüber. Falls Bilder verkauft werden, kann ich entscheiden, die vorhandenen Werke anders oder neue Bilder dazu zu hängen.
Das erste Treffen – und wie es weiter ging
Nach den ersten Minuten unseres Treffens war mir klar, dass es ein Geschenk ist, im Hotel Lipprandt ausstellen zu dürfen. Das wertschätzende, konstruktive Miteinander mit der Familie Liebermann ist wirklich etwas ganz Besonderes. Es gab immer ein offenes Ohr für meine Ideen, umgekehrt kamen von den Hotelbesitzern ebenfalls zahlreiche Vorschläge und Angebote.
Es gab eine Vernissage , gekrönt von der Möglichkeit für die Gäste, anschließend im Restaurant mit einem Menü den Gaumen zu verwöhnen. Als Titel für diesen Abend haben wir uns „Augenschmaus“ einfallen lassen, dazu gab es passende Einladungsflyer. Ich lege Werklisten und in den Hotelzimmern Broschüren aus.
Mit Kunst im Hotel habe ich einen eigenen Reiter auf der Hotel-Homepage und eine Seite in der Hotelbroschüre bekommen. Wir haben Servietten mit einem Werk von mir produzieren lassen, sodass auch Gäste mit kleinem Geldbeutel Kunst mit heimnehmen können. Ich habe einen riesigen Vertrauensvorschuss bekommen, hatte während der Betriebsferien das Hotel ganz für mich und durfte die Ausstellung quasi als Überraschungspaket für die Eigner gestalten. Ich hätte es mir das Ganze nicht besser vorstellen oder wünschen können.
Fazit
Kunst gibt Impulse, berührt und regt an. Ein anderer Kontext kann sie nahbarer machen. Ich bin gespannt, wie diese Ausstellung im Hotel von den Gästen angenommen wird und hoffe auf wertvolles Feedback, spannende Gespräche und neue Begegnungen. Mittlerweile finde ich, dass Kunst im Hotel ein dreifacher Gewinn ist: für die Gäste, für das Hotel und dessen Mitarbeiter sowie für die Ausstellenden.
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Ich freue mich: Mein neuer Katalog ist fertig.
Hier lässt er sich online durchblättern
Links
- Das wunderbare Hotel in Wasserburg, in dem meine Kunst in den nächsten Monaten zu sehen ist: das Lipprandt
- Die Journalistin und Künstlerin Monika Lokau eröffnet meine Ausstellung. Sie spricht gerne und professionell über Kunst: Kunst und Talk
- Gedanken dazu, warum gute Ausstellungskonzepte und entsprechende Hängungen so wichtig sind: Kunst und Kuratierung
- Darüber, was ich sonst so mache, wenn ich nicht gerade eine Ausstellung aufhänge, habe ich hier geschrieben: Was macht eine Künstlerin eigentlich den ganzen Tag
Liebste Dagmar, schön das du dich zu diesem neuen Ausstellungsort entschieden hast. Gratulation! Neue Wege gehören eben auch zur Kunst. Voller Neugier freue ich mich auf die Vernissage und wünsche dir gutes Gelingen.
Liebe Christa, ja, das stimmt – neue Wege gehören zur Kunst. Schön, dass wir einen Teil davon zusammen gehen können.