Als Künstlerin habe ich viele Freund:innen, die selbst kreativ tätig sind – etwa als Musiker, Schauspieler oder eben auch Bildende Künstler:innen. Sie alle machen das, was sie tun, mit Leidenschaft und viel Liebe. Doch nicht alle versuchen, damit ihr Geld zu verdienen. Das ist manchmal ein Minenfeld.
Als ich vor einigen Jahren entschieden habe, von meiner Kunst zu leben, blickte ich zwar schon auf eine lange Zeit als Selbstständige zurück, doch auf viele Aspekte des Berufslebens als Künstlerin war ich nicht vorbereitet. Einigen davon bin ich während der vergangenen Wochen und Monate mehr als einmal begegnet. Bei der Auseinandersetzung damit hatte ich manchmal das Gefühl, allein auf weiter Flur zu stehen. Ich bin sicher, auch andere Kunstschaffende kennen das – daher dieser Artikel.
Diese Aspekte sind potenzielle Herausfordungen und Diskussionsquellen:
- Kunst und Knete
- Hört bei Kunst die Freundschaft auf?
- Kunst und Preisgestaltung
- Qualität der Kunst
- Ausstellungsumgebung
- Kunstvermarktung
- Sind Künstler einsam?
Kunst und Knete
Kunst und Geld sind ein Paar, von dem wohl viele behaupten, dass es nicht besonders gut zusammenpasst. Doch wenn das Kunstschaffen nicht nur Leidenschaft ist, sondern auch ein Business sein soll, müssen die beiden sich irgendwie zusammenraufen.
Im Business müssen Kosten-Nutzen-Rechnungen aufgestellt werden: Wie hoch sind die Ausgaben, mit welchen laufenden Kosten muss ich planen? Wie viel Zeit muss ich in all die Dinge stecken, die nicht „Kreieren“ im engeren Sinn bedeuten, sondern die nötig sind, um ein Business zu generieren und am Laufen zu halten, also so etwas wie Webseite und Social Media, Presse und Marketing, Technik, Rechtliches und Finanzen? Welche Materialien brauche ich, welche Fortbildungen bringen mich weiter?
Wie definiere ich potenzielle Käufer und wie schaffe ich es, diese anzusprechen? Wie sinnvoll ist es, Kataloge zu gestalten, Videos zu drehen und Audios zu generieren? Soll ich Vorträge halten oder Kurse geben? Wie positioniere ich mich, wo, wofür und wie bewerbe ich mich? Wie schaffe ich mir Inseln zum Arbeiten, Freiräume zum Experimentieren? Und ganz schlicht: Wie erhalte ich mir bei all diesen Herausforderungen die pure Freude am Schaffen?
Hört bei Kunst die Freundschaft auf?
Einer der potenziellen Reibungspunkte ist, dass nicht alle meiner Freundinnen diese finanziellen Herausforderungen haben. Sei es, weil sie sich nicht als professionelle Künstlerin sehen, sei es, weil sie ihre Kunst im Ruhestand oder nebenher machen und auf diese Einkünfte nicht angewiesen sind und vielleicht sogar ihr Atelier zuhause haben, also keine Mietkosten anfallen.
Wenn man Kunst vor allem aus Leidenschaft macht, stehen vielleicht die Qualität der Werke und die künstlerische Weiterentwicklung im Fokus, während all die anderen Punkte, die zu einem Business gehören, kaum relevant sind.
Wenn unsere Blickwinkel und Prioritäten verschieden sind, kann es für mein Gegenüber schwierig sein, meine Kritik an oder Zurückhaltung bei gemeinsamen Aktionen zu verstehen. Oder noch schlimmer, sie wird als mangelnde Wertschätzung oder als überheblich wahrgenommen. Auch deshalb versuche ich hier, die aus meiner Sicht wichtigen Aspekte etwas genauer zu beleuchten.
Kunst und Preisgestaltung
Die Preise für Kunst festzulegen, ist kein einfaches Unterfangen. Die Details dazu habe ich in meinem Artikel „Was kostet Kunst“ schon ausführlich beleuchtet. Auf einen Aspekt möchte ich hier näher eingehen: die Umgebung, in der die Kunst ausgestellt wird. Dabei sind aus meiner Sicht zwei Fragen relevant: Zum einen „Was kosten meine Werke überhaupt?“ Und zum anderen: „In welchem preislichen Umfeld stelle ich meine Bilder aus, was kosten also die anderen Kunstwerke?“
Was kosten meine Werke?
In bestimmten Settings ist meine Kunst möglicherweise zu günstig. So habe ich vor einigen Wochen mit einer Münchner Galeristin gesprochen, die meinte, dass sie Kunst in solchen Preiskategorien nicht ausstellen könne, weil diese unter ihrem sonstigen Niveau liegen. Oder mit anderen Worten: Nur das, was relativ viel kostet, wird als hochwertig wahrgenommen.
Würde ich dort auszustellen, müsste ich meine Preise anheben. Doch das würde wiederum dazu führen, dass ich in einem anderen Ausstellungsumfeld viel zu teuer bin, also dort keine Chancen mehr habe, meine Werke zu verkaufen.
Auf dem professionellen Kunstmarkt ist es verpönt, Preise wieder zu senken oder bei Sonderaktionen mit Rabatt zu verkaufen (außer vielleicht mit einem kleinen Preisnachlass für Sammler, die mehr als ein Werk erwerben). Ein Argument dabei ist, dass es Sammler nicht besonders gut finden, wenn der Wert ihrer Kunst sinkt. Das heißt: mit den Preisen hochzugehen, ist im Prinzip eine unumkehrbare Entscheidung und muss deshalb gut überlegt sein. Je nach Ausstellungskontext unterschiedliche Preise zu verlangen, ist auch keine Lösung – mit welchem Argument sollte ich das meinen Kunden erklären?
In welchem preislichen Umfeld zeige ich meine Werke?
Innerhalb einer Ausstellung sollte die Preisstruktur stringent sein. Menschen tendieren dazu, sich für Günstigeres (bzw. etwas, was im Mittelfeld liegt) zu entscheiden. Das habe ich zum Beispiel erlebt bei Ausstellungen, in denen Malerei und gleichzeitig Fotografie gezeigt wurden. Gekauft wurden überwiegend die Fotografien – sie waren zwar anders als die Gemälde keine Unikarte, aber weitaus günstiger.
Bei gleichen Preisen entscheiden sich potenzielle Käufer wiederum oft eher für das, bei dem sie das Gefühl haben, mehr für ihr Geld zu bekommen. Diese Erfahrung habe ich kürzlich bei einer Benefizveranstaltung gemacht, bei dem alle Werke zum Einheitspreisangeboten wurden. Gekauft wurden vor allem sehr große Bilder. Das Traurige: Damit waren dann gerade mal die Materialkosten gedeckt. Das wäre so, als würde der Bäcker die Brötchen zu dem Preis weiterverkaufen, die der Teig gekostet hat.
Zusammenfassend: Die Preisgestaltung sollte wohl überlegt sein, ebenso wie das Umfeld, in dem die Kunst ausgestellt werden soll.
Qualität der Kunst
Auch dies ist ein Thema, mit dem man sich auseinandersetzen sollte: Möchte ich in einem Kontext ausstellen, bei dem die künstlerische Qualität sehr unterschiedlich ist? Es geht hier nicht um verschiedene Techniken und Arten von Kunst, oder um das, was ich mag oder auch nicht. Und es geht auch nicht darum, ob jemand studiert hat oder Autodidakt ist, Mitglied in einem Berufsverband wie dem BBK ist oder nicht. Sondern es geht um Qualitätsmerkmale. Und so schwer diese im Einzelnen festzulegen sind, es gibt sie meiner Meinung nach.
Ist es also angemessen, wenn ich sage, mit der oder dem möchte ich nicht zusammen in einer Ausstellung hängen? Das hört sich schrecklich arrogant an, ich weiß. Und doch ist es vielleicht wichtig, sich als professionelle Künstlerin solche Fragen zu stellen und sie in Entscheidungen für oder gegen eine Ausstellung einfließen zu lassen. Oder sie umzudrehen in „Mit wem möchte ich gerne ausstellen“.
Ausstellungsumgebung
Dieser Punkt ist eng verwandt mit den vorherigen. Wo möchte ich ausstellen? Was möchte ich mit der Ausstellung erreichen: Geht es mir nur um den potenziellen Verkauf oder auch um das Renommee des Ortes? Ist eine Ausstellung in einem Geschäft ok oder in einem Hotel? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Was dabei nicht vergessen werden darf: Für professionelle Bewerbungen um Ausstellungen, Fördermittel oder Artist Residencies ist auch eine Vita wichtig. Und auf dieser sollten wiederum keine „trivialen“ Orte auftauchen, sondern Adressen wie Kunstvereine, Galerien, Museen. Ähnliches gilt für nationale und internationale „Artrankings“: Was zählt, sind die Ausstellungsumgebungen und ob man allein oder in einer Gruppe (und dann: mit wem) ausstellt.
Das kann ich gut finden oder nicht, aber wenn ich mich in diesem Kunstmarkt behaupten oder sogar „Karriere“ machen will, darf ich solche Punkte nicht ignorieren. Sondern muss mir immer wieder Fragen stellen wie: „Was genau möchte ich erreichen?“, „Wo geht es um Sichtbarkeit, um den Ruf oder um Verkäufe?“, „Was nehme ich in Kauf und unter welchen Bedingungen?“. Und auch ganz wichtig: „Wie verteile ich meine Energie?“
Kunstvermarktung
Die Marketingstrategie ist bei jedem Business ein zentraler Aspekt. In der Kunst stellen sich dafür dann Fragen wie: Wie werde ich bekannt? Wie schaffe ich es, sichtbar zu werden und Menschen für meine Kunst zu begeistern und, im besten Fall, meine Kunst zu verkaufen? Werde ich als Expertin wahrgenommen, nehmen die Menschen mich ernst? Oder auch: Nehmen mich die Institutionen des Kunstmarktes ernst? Das ist leider nicht immer das Gleiche, manchmal sogar gegenläufig.
Kommunikationsmaterialien sind wichtig – ganz klassische wie Einladungsflyer, Kataloge, Plakate, aber auch der Gesamtauftritt etwa des Vereins oder des Veranstalters: Wirken die Printprodukte, das Logo, der Webauftritt professionell? Gibt es eine Präsenz in der Presse und den sozialen Medien und wenn ja, wie sieht diese aus? Zu wenig ist genauso schwierig wie zu viel, der Spagat zwischen „zu verhalten“ und „zu penetrant“ ist oft nicht so einfach. Das Amsterdamer Rijksmuseum zeigt mit seinem Instagram-Auftritt, dass sogar Humor funktioniert, doch die Grenze zum Lächerlichen oder Nervigen ist schnell überschritten.
- Auf all diese Aspekte blicke ich bei meinem eigenen Auftritt und passe sie gegebenenfalls immer wieder an. Doch genauso genau schaue ich mir sie eben auch in anderen Settings an. Ich möchte, dass meine Kunst als professionell wahrgenommen wird, und dazu gehört auch ein professioneller Auftritt bzw. ein professionelles Umfeld..
- Das heißt beispielsweise, dass ich mich nur dort bewerbe, wo aus meiner Sicht diese Kriterien erfüllt sind. Kritik an den Prozessen und Produkten in Institutionen steht mir als Externe nicht zu. Manchmal darf ich als Grafikdesignerin die jeweiligen Werbemaßnahmen selbst gestalten oder Vorschläge machen. Doch oft muss ich einfach das Beste hoffen (was ja auch häufig auch funktioniert).
- Bei Aktionen in Gruppen, die ich kenne, kann Manöverkritik jedoch ein Drahtseilakt sein. Manchmal wird sie von den jeweils Aktiven als mangelnde Wertschätzung empfunden, schnell mal ergänzt um das Totschlagargument „Dann mach es doch selbst“. Manchmal wird sie nicht verstanden. Oder die Gruppe ist so bunt gemischt, dass es grundsätzlich nicht so einfach ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Sind Künstler einsam?
Viele Kunstschaffende arbeiten allein. Kreativität wird von Stille genährt, richtet sich der Blick doch dann nach innen und kann sich fokussieren. Doch fühlen sich Künstler deshalb einsam? Ich denke, das ist – wie bei anderen Menschen auch – Typsache.
Ich zum Beispiel mag Alleinsein und Stille sehr, fühle mich in meinem Atelier also nicht einsam. Allerdings finde ich es oft sehr schwierig, Menschen, die selbst keine Kunst machen, zu vermitteln, mit welchen Dämonen ich mich als Künstlerin rumschlage. Und dann entsteht manchmal das Gefühl „Keiner versteht mich“, bestimmt ein Aspekt von Einsamkeit.
Doch auch mit anderen Kunstschaffenden ist die Kommunikation nicht immer einfach. Auf viele Aspekte bin ich oben eingegangen. Und dazu gibt es Missverständnisse, Neiddebatten, abweichende Meinungen und emotionale Befindlichkeiten – eben die ganze Palette menschlichen Miteinanders. Also kann man sich als Künstlerin durchaus auch einsam unter anderen Kunstschaffenden fühlen.
Fazit
Als professionelle Künstlerin muss ich mir immer wieder die Frage stellen, welche Kunst ich warum und wie mache. Doch um Kunst nicht nur erfüllend zu finden, sondern von der Leidenschaft auch leben zu können, sind weitere Themen wichtig: Wie ich sichtbar werde, wie ich Menschen erreiche, die sich für Kunst begeistern, in welchem Umfeld ich ausstelle, wie ich die Preise für meine Kunst gestalte.
Während ich versuche, mit solchen Fragen meinen künstlerischen Platz zu finden, besteht immer die Gefahr, dabei anderen auf die Füße zu treten oder mich unverstanden und ausgegrenzt zu fühlen. Wichtig ist deshalb, im Gespräch zu bleiben, das Handeln zu erklären. Und auch mich selbst und die eigenen Reaktionen immer wieder kritisch zu hinterfragen. Damit aus dem frei gewählten Alleinsein im Atelier keine Einsamkeit wird, braucht es Offenheit für andere und für Anderes. Und vermutlich auch die Fähigkeit, nicht alles so ernst zu nehmen – miteinander lachen verbindet.
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- Einer meiner Lieblingsartikel, in dem ich versuche zu beschreiben, was alles zum Alltag einer Künstlerin gehört: Was macht eine Künstlerin eigentlich den ganzen Tag
- Ein wichtiger Aspekt, wenn man professionell unterwegs sein will: Von der Kunst, sich zu vermarkten
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- Von Edgar Hopper bis zu geistlicher Musik – Thea Stroh zeigt uns, was wir von der Kultur im Hinblick auf Einsamkeit lernen können: Alleinsein, aber richtig! Acht Beispiele aus der Kunst zeigen uns, wie es geht; Südkurier, 16.1.2021
- Das Amsterdamer Rijksmuseum hat eine tolle, professionelle Marketingstrategie. Aber ich bin mir sicher, dass es dafür auch sehr viel Geld investiert.
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