Provenienz

von | Kurz & knackig

(Abstammung, Herkunft; von provenire [latein.] = hervorkommen, entstehen)

Nicht nur wir Menschen haben eine Biografie, sondern Kunst und Kulturgüter besitzen ebenfalls eine Geschichte. Wo kommt ein Kunstwerk her, wer hat es erschaffen? Wer hat es besessen und zu welchem Preis erworben oder weiterverkauft? Hat es in einer berühmten Sammlung gehangen? Ist der Lebenslauf lückenlos oder gibt es weiße Flecken? 

Die Provenienz kann im Kunsthandel wertsteigernd sein oder manchmal auch zu Enttäuschungen führen, etwa weil sich der Flohmarktfund doch nur als Monet-Fälschung erweist.

Besonders relevant sind solche Fragen der Provenienzforschung im Bezug auf Kunst, die vor 1945 entstanden sind. Nach wie vor gibt es hunderttausende Kunstwerke, die verschollen sind, seitdem die Nationalsozialisten sie von ihren rechtmäßigen Besitzern geraubt, beschlagnahmt, versteckt haben (Raubkunst). Und noch heute tauchen Kunstwerke auf, die nach akribischer Recherche ihren Besitzern bzw. dessen Erben zurückgegeben werden können (was fachsprachlich als Restitution bezeichnet wird). 

Auch die Kolonisation etwa von Afrika durch die Europäer führte zur Vereinnahmung von Objekten, die zum jeweiligen kulturellen Erbe gehören (Beutekunst). Dies rückt die letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Provenienzforschung.

Die Provenienzforschung ist Teildisziplin der Geschichte, genauer der Kunstgeschichte. Es gibt riesige Datenbanken, in denen Kulturgüter eingetragen werden und Kunsthändler und Auktionshäuser prüfen können, ob diese als gestohlen gemeldet sind oder Besitzansprüche bestehen. Die weltweit größte ist das Art Loss Register mit über 700.000 Einträgen, die Anfrage ist kostenpflichtig.

In Washington gab es 1998 eine internationale Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust. In ihrem Rahmen haben 43 Staaten (inkl. Deutschland) und 13 nichtstaatliche Organisationen eine Erklärung unterzeichnet, wie mit von Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerken umgegangen wird (Washingtoner Prinzipien). Seitdem gehört Provenienzforschung in diesen Ländern zum Museumsstandard.

Übrigens: Hier ein ganz aktuelles Beispiel von einer Rückführung als Folge der Provenienzforschung (Meldung der New York Times vom 21. .Juni 2024): Es geht um eine kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs aus Schloss Friedenstein in Gotha gestohlene Ölskizze von Peter Paul Rubens. Diese war 1952 vom Buffalo AKG Art Museum in einer Galerie gekauft worden, wohl ohne zu wissen, dass sie Raubkunst ist. Jetzt wurde sie an das Museum des Schlosses zurückgeben. (A Rubens Returns to a German Castle, 80 Years After It Was Stolen)

Altes Teegeschirr
Nicht immer ist bei Antiquitäten klar, woher sie stammen. Die Provenienzforschung versucht, das herauszufinden.

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