An die Stadtmauer von Wangen kuschelt sich ein Kleinod: Das alte Bad mit seiner rund 600-jährigen Geschichte. Das Gebäude mit Kreuzgewölbe und Bohlen-Balkendecke im Erdgeschoss gilt als eines der besterhaltenen Badehäuser aus dem Mittelalter. Ein zweites Kleinod findet sich im Obergeschoss: die wunderbaren Ausstellungsräume der Städtischen Galerie.
Ein drittes Juwel schmückt derzeit wiederum diese Räume: Die Ausstellung „Flowers inside“. Fünf sehr unterschiedliche künstlerische Positionen, die doch eines gemeinsam haben: die vielfältige Schönheit der Flora in Form und Farbe zu feiern. Die Ausstellung macht Freude, lädt zum Stauen ein. Sie verführt zum Inhalten, Lächeln und Eintauchen.
Susanna Taras: Malerei mit Wolle
Beginnt man den Rundgang linkerhand, begegnet man den farbenfrohen Tapisserien von Susanna Taras. Die Blüten sind durch ihre Formensprache durchaus identifizierbar, doch bekommen sie durch ihre Größe, die poppigen Farben und das Material eine ganz neue Individualität. Sie wecken die Lebensgeister und machen gute Laune. Leider ist berühren nicht erlaubt – zu gern würde man mit den Fingern über die getufteten Oberflächen fahren, um das Seherlebnis durch die haptische Erfahrung zu ergänzen.
Hermann Försterling: in Blüten spazieren
Überlebensgroß sind auch die Bilder in Öl-Harzölfarben von Hermann Försterling im Nachbarraum. Im Fokus stehen einzelne Blüten, die zunächst durch ihre schiere Abmessungen verblüffen. So muss sich Gulliver im Land der Riesen gefühlt haben oder Alice im Wunderland. Die Details und Kompositionen von Licht und Schatten sind umwerfend und geheimnisvoll. Hier möchte man gern länger in der Mitte des Raumes verweilen, um ganz in das Blütenzentrum einzutauchen.
Angela M. Flaig: starke Verletzlichkeit in filigranen Installationen
Der nächste Kontrast dann nebenan, in den Räumen von Angela M. Flaig. Sie arbeitet mit Pflanzensamen, die sie selbst sammelt und zu zauberhaften Kompositionen fügt – manche kissenartig, andere eher in symmetrischen Reihungen. Doch selbst in der geometrischen Anordnungen fällt auf: kein Samen gleicht dem andern. Hier möchte man verweilen und einsinken, staunt über die filigrane Schönheit der Natur, der Samen von Pusteblume, Distel, Weidenröschen und Kiefer. Die Räume atmen Stille, haben etwas Kontemplatives.
Beate Bitterwolf: die Macht der Farben
Im Nachbarraum dann wieder ein Fest der Farben. Beate Bitterwolf entfaltet überaus gekonnt Welten von Farben und Komposition. Abstraktes und Gegenständliches, Flächen und Lineares, Schüttungen und gezielte Pinselführung, Sandstrukturen und Lasuren, intensive und gedeckte Farben: Gegensätzliches wird zu einem stimmigen Ganzen verwebt. Jedes Element der ausgewogenen Kompositionen ist an seinem Platz und wichtig für das Gesamtergebnis. Man spürt eine starke Präsenz der Bilder und gleichzeitig die eingeschriebene Zeit. Eine Wanderung durch die Jahreszeiten mit üppigen Pflanzenassoziationen, die zum Entdecken einladen.
Anne Carnein: Lebenszyklen aus Stoff und Draht
Nebenan möchte man ebenso auf Entdeckungsreise gehen, doch ist das Raumgefühl durch die Werke der Bildhauerin Anne Carnein hier ein völlig anderes. Die zarten Objekte aus verschiedensten von Hand zusammengenähten Stoffen, die den sie stabilisierenden Draht umhüllen, haben auf den ersten Blick fast die Anmutung einer wissenschaftlichen Versuchsanordnung. Man fühlt sich erinnert an die Wunderkammern in alten Schlössern oder auch Vitrinen mit botanischen Objekten im Naturkundemuseum. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass alle „Pflanzen“-Teile gezeigt werden – von den Elementen, die man über der Erde wähnt wie Samen, Knospen, Blüten, Blättern bis hin zu Zwiebeln und wurzelähnlichen Ausläufern. Unwillkürlich schaut man sich um, ob man nicht auch ein paar Insekten entdeckt. Das Leben vom Werden bis Vergehen wird sichtbar. Spannend hier sind auch die Schattenwürfe, die eine zweite Bedeutungsebene schaffen.
Fazit
Eine inspirierende Zusammenstellung künstlerischer Werke rund um das Thema Pflanzen. Sehr überzeugend ist auch die Kuratierung, für die sich vor allem Babette Caesar vom Kultur- und Sportamt verantwortlich zeichnet: Das Auge wird wunderbar von Raum zu Raum geführt; im Flur, von dem die Räume abzweigen, hängen wiederum verschiedene Positionen im Dialog. Unbedingt sehenswert!
Beate Bitterwolf, Anne Carnein, Angela M. Flaig, Hermann Försterling, Susanna Taras
Flowers Inside
Städtische Galerie in der Badstube
Lange Gasse 9, Wangen (Allgäu)
10. August bis 10. November 2024
Dienstag bis Freitag, Sonn- und Feiertage 14 bis 17 Uhr
Samstag 11 bis 17 Uhr
Links:
- Das Thema Natur, Pflanzen, Blumen ist in den letzten Jahren im Ausstellungskontext sehr präsent. Der Kunstverein Wasserburg ist da keine Ausnahme: „Blättermeer und Blütenrausch“, „Verzweigt“, „Mensch und Natur“ – so die Titel von drei der letzten Mitgliederausstellungen
- Wichtig für das Thema Pflanzen ist sicher auch der Aspekt ihrer ästhetischen Anmutung. Vielleicht erlebt das Thema Schönheit in der Kunst ein Revival?
- Ein Artikel über die Badstube Wangen mit eindrücklichen Fotos
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