Im Gespräch über die Kunst. Heute: Christa aus Lindau

von | 11. Mai 2021 | Im Gespräch

kunstreiche im Gespräch Mit Kunst leben christa

Beim Nachdenken darüber, wen ich gern für meine Reihe „Mit Kunst leben“ interviewen möchte, fiel mir etwas Spannendes auf: Kunst verbindet. Ich habe nicht nur das große Glück, dass Freunde manchmal entscheiden, sich mit einem Werk von mir zu umgeben. Sondern umgekehrt auch, dass Menschen, denen ich über die Kunst begegne, zu meinen Freunden werden. Meine heutige Gesprächspartnerin Christa gehört dazu.

Liebe Christa, ich freue mich sehr, dass du mir heute Rede und Antwort stehst. Wir kennen uns mittlerweile seit einigen Jahren und haben schon Etliches zusammen erlebt. Die Kunst ist dabei eine wichtige Verbindung in unserer Freundschaft.

Kannst du dich erinnern, wie wir uns kennengelernt haben?

Ja, noch sehr gut. Es war eine Mitgliederversammlung des Kunstvereins Wasserburg. Ich Kassiererin, du standest als 2. Vorsitzende zur Wahl. Freundschaft auf den ersten Blick. Weißt du noch, wie wir uns wunderten, uns nicht früher schon irgendwo in Lindau begegnet zu sein? 

Beide sind wir ja sehr aktiv im Kunstverein, und wir beiden empfinden ihn wohl auch als so etwas wie unsere künstlerische Heimat. Das hast du ja sehr eindrücklich formuliert in dem Film im Regionalfernsehen, in dem wir 2019 unseren tollen Verein präsentieren durften.

Warum engagierst du dich im Kunstverein nun schon seit über 6 Jahren?

Ganz einfach: Weil es mir gut tut. Im Kunstverein verbinden sich mehrere Interessen von mir: Kunst und KünstlerInnen kennen zu lernen und sie auf einer Ausstellung begleiten, weil ich gerne organisiere, das bedeutet dann auch ganz nah dran zu sein. An beidem: der Kunst und dem Menschen, der dahinter steckt, und an den Menschen, die daran interessiert sind und Kunst anschauen. Außerdem gefällt mir der Kontakt mit den anderen Organisatoren im KUBA, sich austauschen, sich reiben, wachsen.

Das geht mir ähnlich. Dinge und Projekte aus verschiedenen Perspektiven zu kennen, öffnet den Blick und macht es einfacher, sich auch mal in die Schuhe des Gegenüber zu stellen. Du sprichst von Austausch, aber ebenso von Reibung. Ich denke auch, dass Letztere nötig ist, um Energie zu erzeugen und weiterzukommen. Auch wenn es manchmal anstrengend ist. Aber irgendwie gehört das auch zu demokratischen Prozessen, finde ich.

Was meinst du, lässt sich das Prinzip „Reibung schafft Veränderung“ auf Kunst übertragen?

Ja, auf jeden Fall. Schau dir doch mal die Biografien von alten Meistern an, voll von Reibung und auch Zweifeln. Aber genau das führte zur Veränderung, ja zur Weiterentwicklung in der Kunst. Wieviel Ablehnung hat manch ein Maler zu Lebzeiten erfahren und doch ist er und sie heute nach Jahren noch ein großer Meister für uns. Jetzt habe ich als Beispiel ganz spontan Turner vor Augen, seine großen Seestücke, die Dampflock, der Brand von London, die damals keiner verstand und sogar auf den Kunstsalons abgelehnt wurden.

Stimmt, Angst vor Ablehnung sollte man als Künstler besser nicht haben, diese hemmt die Kreativität. Du bist auch selbst Künstlerin. Im vergangenen Jahr hatte ich die große Freude, mit dir und zwei weiteren Künstlerkolleginnen in der Städtischen Galerie in Tettnang auszustellen.

Was ist dir von dieser Ausstellung am meisten im Gedächtnis geblieben?

Die Wertschätzung von euch anderen Austellerinnen, das gute Gefühl wird noch lange bleiben. Unsere Kunst und unser Hintergrund sind verschieden und doch haben wir uns einfach darauf eingelassen. Gelungen würde ich sagen. Toll fand ich das Raumkonzept, jede bekam einen Raum und doch sah man durch die Türen zu den anderen herein, es hatte etwas stark Verbindendes. Besonders zu dir, unsere Schauräume lagen ja direkt nebeneinander.  Das war auch mir eine große Freude.

kusntreiche Blog | Im Gespraech Christa Tettnang
Ausstellung Tettnang. Durchblick zum hinteren Raum mit Arbeiten von Christa

Oh ja, das war etwas Besonderes – diese Möglichkeit, Kunst auch im Dialog zu erleben. Was mir gerade auffällt: Unter diesem Motto stand bereits die Einführung von Monika Lokau bei der Vernissage – sie hat keine lange Rede geschwungen, sondern uns vier zu unserer Kunst befragt, ähnlich wie wir jetzt miteinander reden. Ich finde es spannend, weil nicht nur die Kunst selbst, sondern auch die Motivation dahinter ganz unterschiedlich sein kann. Und wie ist es bei dir:

Was treibt dich an bei deinem kreativen Schaffen, warum machst du Kunst?

Mein Antrieb hat oft einen emotionalen Aspekt. Ich male mit Acryl, das gibt mir die Möglichkeit zur Übermalung. Ich lasse mich treiben. Wenn ich male, hört das Wollen auf. Und dann bin ich komplett überrascht, wo es mich hinführt. Anders bei neuen Techniken, da muss der Kopf arbeiten, aber dazu kommt erfreulicherweise ein Entdecken, auch Spiel zwischen Versuch und Irrtum.

Wenn ich deine Antworten höre, weiß ich umso mehr, warum wir befreundet sind. Vieles empfinden wir ähnlich und verstehen uns deshalb oft ohne viel Worte.

Wie würdest du deine Kunst beschreiben?

Fließend. Kunst bringt mich zur Ruhe. Kunst erdet mich. Den Betrachter ebenso? Und doch sind Spuren auf dem Papier, auf denen das Auge wandern, entdecken kann.

Kompost 9 (getrocknete Pflanzen, Transparentpapier, Garn) Arbeit von Christa

Gibt es etwas, was du gerne noch lernen möchtest?

Hauptsächlich Technik. Ich habe keine diesbezügliche Ausbildung, mein Motor ist lebenslange Neugier. Ich sehe etwas und frage mich: „Wie geht das?“ Da wären beispielsweise deine Holzschnitte, diese Technik würde ich auch gerne lernen.

Das schaffen wir bestimmt noch, liebe Christa, zusammen im Atelier Holzschnitte zu machen. Da muss ich selbst noch so viel lernen. Ich erinnere mich an einen Kurs in Coesfeld-Lette. Da habe ich in der Sonne im Hof gesessen und das Holz bearbeitet. Und wenn ich hier bei schönem Wetter vor meinem Atelier hocke, sehe ich immer eine Hortensie aus deinem Garten, die du mir im letzten Jahr vorbei gebracht hast.

Sind dein Garten oder die Natur allgemein für dich Inspirationsquelle?

Ja und Nein. Garten ist auch Erfahrung und Arbeit. Aber klar, wenn wie im Frühling die Tulpen so mannigfach blühen, inspiriert mich das. Besonders, wenn eine Freundin mir noch eine Flasche pinke Farbe geschenkt hat.

Pflanzen sind ja in diesem Jahr das Thema unserer Mitgliederausstellung. Auch du kuratierst seit Jahren in unserem Verein immer wieder Ausstellungen. Ich weiß, dass du gerne den KünstlerInnen die Möglichkeit bietest, bei dir privat zu übernachten.

Was magst du an den persönlichen Kontakten zu den Ausstellenden?

Mir gefallen die Gespräche. Der Mensch hinter der Kunst. Daraus sind schon Freundschaften entstanden. Gegeneinladungen wie etwa in die Kunst-Stundenten-WG während der ART Karlsruhe. Das war so toll, zwischen den jungen Leuten, zu sehen, wo ihre Kunst hingeht, was sie bewegt. Der Besuch ihrer Hochschule. Gespräche auch beim Essen zwischen den Generationen, sehr bereichernd.

Du hast auch schon zwei meiner Bilder erworben und es berührt mich jedes Mal, wenn ich dich besuche und sehe, dass dich meine Werke im Alltag begleiten. Ich weiß, dass bei dir zu Hause auch etliche Bilder anderer Künstler hängen. Bei mir ist das ähnlich, doch ich höre oft die Frage:

Wieso kaufst du Kunst, wenn du doch selbst malst?

Es gibt Bilder, die sprechen mich an, dass sie schnell zu mir wollen. Ich empfinde das auch als ein Vertiefen der Freundschaft, denn alle Bilder, die ich bisher kaufte, stammen von mir sehr geschätzten Künstlerinnen aus meinem Umfeld. Bei dir ist es die Weite des Himmels, die mich stark anspricht. Die Helligkeit, der offene Raum.

Helligkeit und offener Raum ein kleines BIld von mir, das bei Christa hängt

Das freut mich, das ist etwas, wonach ich in meinen Bildern immer wieder strebe. Mal gelingt es gut, mal weniger.

Kunst verbindet empfindest du das auch so?

Über Kunst lässt sich sehr gut und auch zwanglos reden. Selbst mit Menschen, die man nur zufällig trifft in einer Ausstellung. BetrachterInnen tauschen sich aus, wägen ab, was sie anspricht in den Werken, ihnen besonders gefällt, was sie nicht verstehen, was sie aufwühlt. Sie berichten über das, was entsteht in ihrem Inneren. Ja, ich denke, Menschen verbindet die Liebe zu bestimmten Malern, Bildhauern, Farben. Dieser Austausch macht Lust, auf neue Entdeckungsreisen zu gehen, den Horizont zu erweitern.

Kunst erweitert den Horizont

Das ist wieder etwas, was ich auf gern auf meine Ateliertür schreiben möchte.
Liebe Christa, die Themen werden uns wohl nie ausgehen. Hab Dank für das inspirierende Gespäch. Ich bin sehr froh über deine Gedanken zur Kunst und deine Freundschaft.

Links

* Beitrag über die Arbeit des Kunstvereins Wasserburg im Allgäu TV in der Reihe »Land und Leute« am 10. Juni 2019 (0:12-8:34): Link ins Medienarchiv des Allgäu TV
* Monika Lokau: Kunst and Talk
* Über mein erstes selbst gekauftes Bild

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