Mit Inge verbindet mich eine ganz besondere Erinnerung. Sie hat mich als Erste in meinem Schaffen so bestärkt, dass ich mich getraut habe, meinen Weg als Künstlerin zu gehen. Während einer Weiterbildung bekam ich eine Mail, in der sie mich gefragt hat, ob ich bei ihr ausstellen möchte. Meine erste Einzelausstellung! Ich war beglückt und aufgeregt.
Liebe Inge, ich freue mich total, dass du heute meine Interviewpartnerin bist. Seit unserem ersten Kennenlernen sind mittlerweile ein paar Jahre ins Land gegangen, in denen wir schon viele schöne gemeinsame Momente verbracht haben.
Kannst du dich erinnern, wie du auf mich als Künstlerin gestoßen bist?
Es mag banal klingen, aber es war wie die „Liebe“ auf den ersten Blick mit dir. Ralf, dein Mann, hat sein Geburtstagsfest bei uns im Eulenspiegel geplant und wir haben uns neben der Planung auch noch sehr schön über viele weitere Dinge unterhalten. Er hat beiläufig erwähnt, dass seine Frau Künstlerin sei, und weil ich Kunst und Kultur als Lebensinhalt begreife, lag es nahe, dass ich dich und deine Kunst gerne näher kennenlernen wollte.
Die Werke auf deiner Homepage haben mich sofort angesprochen und als wir gemeinsam nach Bregenz fuhren, um Bilder für eine mögliche Ausstellung im Eulenspiegel auszusuchen, war ich sehr berührt von deinen Werken. Der Gedanke, sie in Verbindung mit der Lyrik von R.M. Rilke, den ich sehr verehre, zu zeigen, hat mich sofort begeistert.
Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen Anfang. Ich saß während der Pause in einem Kunstkurs am Tisch und habe meine Mails gecheckt. Und da war eine von dir. Du fragtest, ob ich mir vorstellen könnte, bei dir im Eulenspiegel auszustellen. Mir blieb kurz das Herz stehen, ehrlich. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich hin und wieder bei Gemeinschaftsausstellungen mitgemacht und mich immer ein bisschen gefreut, mich hinter all den anderen Künstlern verstecken zu können. Und dann kamst du. Und wolltest eine Ausstellung machen mit mir – die ich kein Kunststudium, keine lange Referenzliste, keine Auszeichnungen, keine regelmäßige Ausstellungstätigkeit vorzuweisen hatte. Einfach nur, weil dich mein Bilder berührt haben. Ich weiß noch genau: Wir sind nach Bregenz gefahren, wo ich damals meine Werke in einem gemieteten Kellerraum gelagert hatte. Und die ganze Zeit im Auto dachte ich, dass du abspringst, wenn du die Bilder in echt siehst. Aber nein, du bliebst bei deiner Idee, mit mir eine Einzelausstellung zu machen. Du glaubst gar nicht, was mir das damals bedeutet hat. Ein Jahr später war ich dann Mitglied im Berufsverband der Bildenden Künstlerinnen und Künstler, ein Schritt, den ich ohne diese Ausstellung nie gewagt hätte.
Die Vorbereitung für „Schichtungen“ war intensiv, ich wollte alles geben, was ich konnte. Und die Verbindung zwischen Poesie und Kunst war mir sehr wichtig, deshalb auch die Idee mit der Mischung von Bildern mit Rilke-Gedichten. Kannst du dich erinnern, wie ich mehrmals gekommen bin, meine Faltungen aufgehängt und mit Sofie den Plan durchgegangen bin? Mann, war ich aufgeregt. Vor der Eröffnung hatte ich plötzlich extremes Muffensausen und wollte gar nicht hin. In meinem Kopfkino lief der Film, wie jemand, der mich nicht kennt, dort steht und meine Bilder verreißt.
Was ist dir denn von der Ausstellung besonders im Gedächtnis geblieben?
Es hatte sich eine große Anzahl kunstbegeisterter Menschen eingefunden, die der Vernissage beiwohnen wollten – und wenn sich dann Malerei und Literatur begegnen, ist das immer eine wundervolle Verbindung. Meine Freundin Sofie de Walmont las die Poesie, die den einzelnen Bildern zugeeignet war, deine Ansprache hat uns einen interessanten Blick in die Welt deines Schaffens vermittelt.
Natürlich haben wir uns danach sehr über den wohlwollenden Bericht in der Tageszeitung von der Kunsthistorikerin Babette Caesar gefreut.
Oh ja, dieser Zeitungsbericht. Die Vernissage war am Sonntag, der Artikel erschien am Dienstag drauf. Meine Schwester und ihr Lebensgefährte waren zu Besuch und hatten ihn als erstes entdeckt. Ich hab mich erst gar nicht getraut, ihn zu lesen. Und dann sah ich die Überschrift „Dagmar Reiches »Seelenlandschaften« sind wie Gedichte“, war so berührt und fühlte mich ein zweites Mal reich beschenkt. Ich habe damals eine Mail an die Redaktion mit der Bitte um Weiterleitung geschrieben, ich weiß gar nicht, ob sie diese erhalten hat. Witzigerweise hat Frau Caesar vor wenigen Wochen wieder ein Interview mit mir geführt. Diesmal war ich viel entspannter.
Nun aber noch ein bisschen zu dir und dem tollen Ort, wo ich meine erste Ausstellung machen durfte. Das Café Restaurant Eulenspiegel hat eine lange und bewegte Geschichte, die auch immer eng mit Kultur verbunden war. Diese Tradition führst du seit etlichen Jahren fort – mit regelmäßigen Ausstellungen, Konzerten, Lesungen.
Magst du ein bisschen über das Eulenspiegel erzählen?
1976 gründete Peter Schilinski mit Freundinnen und Freunden das Projekt Eulenspiegel mit dem Ziel, ein Kulturzentrum zu schaffen und im konkreten Alltag die Soziale Dreigliederung – eine neue gesellschaftliche Form – zu leben. Von Beginn an waren Kunst und Kommunikation fester Bestandteil im Eulenspiegel.
Dass es sich so unglaublich schön entwickelt hat, seit ich das Café Restaurant leite, überrascht mich heute noch. Grandiose Musiker:innen haben hier aufgespielt, anspruchsvolle Lesungen und kunsthistorische Vorträge haben viele Menschen beseelt, auch, weil wir immer jenseits des Mainstreams agierten.
Das Programm im Eulenspiegel ist immer abwechslungsreich und inspirierend und ja, beseelend. Viele, die hier aufgewachsen sind, kennen das Café noch von früher, aus Zeiten, wo die Eltern das nicht so toll fanden, ihre Sprösslinge dort zu wissen. Ich liebe seine Atmosphäre innen und außen. Was sicher auch mit dem leckeren Essen deines begnadeten Koches, deiner wunderbaren Mitarbeiter:innen und nicht zuletzt mit dir als Chefin zu tun hat. Ich hoffe wirklich, dass es diesen Ort noch lange geben wird.
Nun möchte ich dir noch ein paar Fragen zu deinem persönlichen Blick auf die Kunst stellen. Du hast ja auch schon mehrere Bilder von mir erworben, deshalb interessiert mich das besonders.
Aus welchem Grund kaufst du Kunst, was ist dir wichtig, wenn du dich für ein Werk entscheidest?
Ich habe schon etliche Bilder gekauft, sehe mich aber nicht als Sammlerin. Ich sehe Kunstwerke auch nicht als Dekoration. Sämtliche Werke stammen aus der Hand von Künstler:innen, die ich persönlich kenne. Für mich ist es wichtig, einen Bezug zu einem Bild bzw. dessen Kunstschaffendem zu haben.
Die Bilder, die ich von dir gekauft habe, reihen sich ein in eine Gruppe von Kunstwerken, die einmal im Eulenspiegel ausgestellt waren. Es fühlt sich für mich ähnlich an, wie das Leben inmitten der Gedanken bedeutender und inspirierender Dichter, deren Bücher in meinen Bücherregalen stehen.
Wann und wo hast du meine Bilder entdeckt?
Eines der Bilder aus der Serie „Seelenlandschaften“ habe ich gekauft, nachdem deine Ausstellung bei mir beendet war. Ich wollte es einfach nicht mehr missen. Und das Bild „Begegnung“? Wir sind Anfang 2020 gemeinsam durch deine Ausstellung in der Städtischen Galerie Tettnang gegangen und während unseres Dialogs habe ich mich dafür entschieden.
Das war auch ein Liebling von mir (und übrigens auch von Simon, meinem Sohn), da war ich erst fast ein bisschen traurig, es gehen zu lassen. Aber da ich wusste, dass es bei dir in liebevollen Händen ist (und ich es ja jederzeit besuchen kann), habe ich es gerne ziehen lassen. Irgendwann später hast du mir auch mal ein Video von deinem Sohn geschickt – er spielt Klavier, über ihm hängt das Bild. Das hat mich sehr berührt. Besonders schön finde ich übrigens, dass du auch schon Kunst von mir verschenkt hast. Dadurch fühle ich mich doppelt wertgeschätzt.
Sind eigentlich Farben wichtig für deine Kaufentscheidung?
Farben sind für mich ein unendlich schwieriges Thema. Ich habe eine große Neigung zu Erdtönen, auch, weil sie für mich große Ruhe aussenden. Farbige Bilder können wunderbar sein, in meinen Räumen möchte ich sie nicht gerne um mich haben.
Was waren oder sind die Reaktionen, wenn Besuch kommt? Und wie begleiten dich deine Bilder durch den Tag?
Meine Besucher verstehen sofort meine Beweggründe bzw. Entscheidungen für diese beiden Bilder von dir. Immer ist es auch unsere wertvolle Freundschaft, die mich beim Anblick deiner Werke berühren.
Bilder wecken die unterschiedlichsten Emotionen. Es kann der Gesamteindruck sein, der mich fasziniert oder auch nur ein kleines Element oder ein kurzer Pinselstrich. Manchmal untersuche ich die unterschiedlichen Schichten, die auch unterschiedliche Stimmungen bei mir hervorrufen können. Ein Bild darf auch gerne seinen Platz wechseln, ich muss es nur immer im Blick haben können.
Ist es wichtig für dich, dass es Originalkunst ist? Und spielt der Preis für dich eine Rolle?
Es darf auch gern mal ein Poster sein, Hauptsache es spricht mich an. Der Preis ist für mich kein Entscheidungskriterium.
Gehst du auch in Galerien? Würdest du dort Kunst kaufen?
Galerien sind etwas Wunderbares, nicht jedoch für mich. Es liegt nicht in meiner Natur, aus einer riesigen Vielfalt etwas auszusuchen. Überwindung, hineinzugehen, kostet es mich nicht. Und aus schon benannten Gründen kaufe ich immer nur beim Künstler selbst.
Bist du immer noch zufrieden mit deiner Kaufentscheidung? Und gibt es etwas, was du Menschen raten würdest, die überlegen, Kunst zu kaufen?
Nach wie vor bin ich glücklich mit meinen/deinen Bildern und – das weißt du ja – sehr gerne empfehle ich dich weiter, auch weil du den Menschen deine Art und deine Beweggründe, zu malen, sehr schön mitteilen kannst. Mich versetzt die Betrachtung eines Kunstwerks oftmals in eine bestimmte Stimmung. Genau darauf zu achten, würde ich jemandem raten, der sich überlegt, Kunst zu erwerben.
Liebe Inge, ich danke dir von ganzem Herzen. Folgenden Satz drucke ich mir gern aus, er spricht mir aus dem Herzen:
„Sich mit Kunstwerken zu umgeben, fühlt sich für mich ähnlich an, wie das Leben inmitten der Gedanken bedeutender und inspirierender Dichter, deren Bücher in meinen Bücherregalen stehen.“
PS: Ohne, dass ich davon wusste, hatte ein Freund die Vernissage von „Schichtungen“ bei Inge im Eulenspiegel gefilmt. Auch wenn es vermutlich nicht professionellen Ansprüchen genügt, ist das Video authentisch und eine wunderbare Erinnerung.
Links
* Immer einen Besuch wert: Café Restaurant Eulenspiegel * Kunst verbindet Menschen. Eine weitere Freundschaft, die durch Kunst entstanden ist: Interview mit Anca * Ausstellung in der Städtischen Galerie Tettnang magisch - fließend - vielschichtig - bewegt
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