Bewerbungsfrust

von | 7. April 2023 | Ateliergeflüster

Bewerbung und Frust gehen oft Hand in Hand, Frau, die sich frustriert an den Kopf greift.

Die meisten von uns haben in ihrem Leben schon mal eine Bewerbung geschrieben. Nun stellen Sie sich Folgendes vor: Sie lesen eine Ausschreibung und wollen diesen Job haben, unbedingt. Sie wissen, dass die Konkurrenz riesig ist und damit die Wahrscheinlichkeit, dafür ausgewählt zu werden, sehr gering. Doch ganz hoffnungslos ist die Sache nicht, schließlich haben Sie einiges an Berufserfahrung in die Waagschale zu werfen. Und die Anforderungen in der Ausschreibung sind zumindest erfüllbar.

Also: Sie wollen den Job. Die Konkurrenz ist groß. Trotzdem besteht eine winzige Möglichkeit, dass es klappt. Was machen Sie also? Sich ein Herz fassen und eine Bewerbung schreiben. Eine Bewerbung, die alle Anforderungen der Ausschreibung abdeckt. Mit der Sie sich gut verkaufen und genau das zeigen, was Ihre Stärken sind. Und damit sie nicht direkt ungelesen in der Ablage verschwindet, wird sie ansprechend gestaltet. Also los.

Bewerbungen – der Blick von zwei Seiten

Auch in der Kunst hat jede Ausschreibung neue Anforderungen. 

  • In der Regel ein Muss, ist der Lebenslauf. Doch wie dieser aufbereitet werden soll, ist unterschiedlich: kurz oder lang, mit oder ohne Ausstellungstätigkeiten, mit oder ohne Artists Statement, mit oder ohne Foto, deutsch oder englisch…  Allein von meiner Vita habe ich mehrere Versionen auf dem Computer liegen (die natürlich ständig aktualisiert werden sollten) – und trotzdem kann ich selten eine vorhandene nehmen, sondern brauche dann doch eine geänderte Version. 
  • Für Residenzen ist es üblich, einen Absatz über die Motivation einzureichen, warum man sich bewirbt, und oft eine Konzeptidee, die man dort umsetzen will. Da hilft überhaupt keine Vorlage, das muss jedesmal aufs Neue überlegt und verfasst werden. 
  • Oft sind Beispielprojekte gefragt. Fotos von Werken, die zeigen, wie man arbeitet oder warum man sich genau für diese Ausschreibung interessiert. Oder was man schon gemacht hat. Oder ein wichtiges Werk, mit der Erklärung, warum es ein Meilenstein ist. Oder ein ganzes Portfolio. 
Frau in einem Raum mit Büchern stellt Unterlagen für eine Bewerbung zusammen
Viel Arbeit: die Unterlagen für die Bewerbung zusammenzustellen …

Als Bewerberin

Jedesmal muss alles neu zusammengestellt und geschrieben werden, zugeschnitten auf die spezielle Anforderung und das gefragte Thema. Wichtig ist, darauf zu achten, nicht den maximalen Umfang zu überschreiten. Und nicht aus Versehen Seitenzahl, Zeichenzahl und Wortanzahl zu verwechseln. Manchmal muss man alles ausdrucken und per Post verschicken, manchmal ist ein Onlineversand gewünscht, manchmal sogar beides.

Als Ausschreibende

Doch auch das Auswahlgremium hat eine Herkulesaufgabe: Ich weiß, wie viel Mühe es macht, Bewerbung um Bewerbung durchzuschauen, schließlich sitze ich auch oft genug in einer Jury. Häufig werden die Vorgaben ignoriert, es werden 5 Kataloge oder 50 Seiten Text geschickt („da wird schon was Passendes dabei sein“), ein großer Stapel fliegender Papiere ohne Seitennummerierung, handschriftliche Notizen oder fehlende Angaben zur Person. Das ist alles ärgerlich und frustrierend für die Jury.

Gerade deshalb mache ich mir viel Mühe mit Bewerbungen. Richte sie appetitlich und lesbar her. Stelle sie so zusammen wie im Einzelfall gewünscht. Prüfe Umfang und Anhänge, bevor alles rausgeht. Falls wirklich etwas unklar ist, frage ich ggf. nach (allerdings nur in Ausnahmefällen. Ich weiß wie es ist, wenn jeder Bewerber mindestens eine extra Mail schreibt…). Das hat auch etwas mit Wertschätzung für mein Gegenüber und seine Arbeit zu tun.

Frau sucht Werke für eine Bewerbung als Artist in Residence aus
… und die Auswahl treffen, welche Werkbeispiele mitgeschickt werden

Bewerbung – der Anfang

Immer wieder stolpere ich über Ausschreibungen für Ausstellungen oder als Artist in Residence. Oft denke ich „könnte ich machen“ und vergesse dann direkt die Deadline. Ab und zu jedoch denke ich „das will ich unbedingt“ und bewerbe mich. 

Und jetzt komme ich zum aktuellen Frust: Ich habe mich Anfang Januar für eine mehrwöchige Artist Residency beworben. Mindestens einen vollen Tag gesessen, um alle Unterlagen zusammenzustellen. Einen Text geschrieben, der rüberbringt, warum ich so gern dabei sein möchte. Mir Konzepte überlegt, die ich dort verwirklichen könnte. Zeichen gezählt, damit alles passt. Sogar eine Bearbeitungsgebühr bezahlt, was ich sonst ungern tue, aber in diesem Fall war der Grund so nett erklärt, dass ich es nachvollziehen konnte. Alles rechtzeitig losgeschickt.

Leider war kein Jurierungs- oder Benachrichtungstermin angegeben, also habe ich einfach gewartet. Und nach rund 2,5 Monaten Sendepause mental einen Haken dran gemacht: Je nach Anzahl der Bewerbungen werden oft nur diejenigen informiert, die Erfolg haben, die anderen dann mit Verzögerung (oder gar nicht).

Zwei Seiten aus einer Bewerbung für eine Kunst-Ausschreibung mit Werkbeispielen aus dem Portfolio
Zwei Seiten mit Projektbeispielen aus der aktuellen Bewerbung

Eine Nachricht – und eine Portion Frust

Vor ein paar Tagen kommt nun eine ausführliche Mail mit der Nachricht, dass ich leider keinen Erfolg mit meiner Bewerbung hatte. Nun gut, damit hatte ich schon gerechnet. Ungewöhnlich ist allerdings die Länge der Mail, das Auswahlverfahren wird darin genau erklärt. Und dann stolpere ich über folgenden Satz: „Leider haben Sie aber mehr Text eingereicht, als die Teilnahmebedingungen erlauben“. Ich lese ihn (und die Erklärung drumherum) mehrfach. Meine Bewerbung wurde gar nicht an die Jury weitergeleitet, weil ich zu viel Text hatte?!

Woran liegt es?

Als erstes habe checke ich noch einmal die Unterlagen, die ich vor Wochen verschickt habe: knapp unter der maximalen Wortzahl. Ich verstehe es nicht. Ich schicke eine Antwortmail mit dieser Info. Es geht ein paar Mal hin und her, abends schaltet sich noch eine andere Verantwortliche ein, schickt mir sogar einen Screenshot von der Wortzählung. Irgendwann komme ich drauf: Mein allgemeines Artist´s Statement – wie üblich bei mir Teil des CVs und entsprechend auf dessen Seite – wurde zum Motivationsschreiben speziell für die Residence auf der nächsten Seite hinzugezählt. Damit ist natürlich klar, wieso ich über die Wortgrenze komme.

Es hilft nix

Ich weiß, dass auf der anderen Seite Menschen sitzen, die ihr Bestes geben, allen gerecht zu werden. Die Kommunikation ist durchgehend freundlich und wertschätzend; ich finde es toll, dass versucht wird, die Sache zu klären und alles so transparent aufzuschlüsseln. Das ändert aber nichts am Frust. Nicht genommen zu werden, weil es viel andere tolle Bewerbungen gibt, ist oft schwer genug – doch Teil des Alltags als Künstlerin.

Aber direkt auf dem Ablagestapel statt bei der Jury zu landen, weil ein diskussionswürdiges Zählsystem angewendet wird, das ist frustrierend. Gerade weil ich so viel Sorgfalt auf meine Bewerbungen verwende. Zeit und Geld umsonst investiert. Zumindest bleibt die Möglichkeit, dass ich es vielleicht geschafft hätte, wenn ich nur angeschaut worden wäre. Ein schwacher Trost.

Das Kind ist leider in den Brunnen gefallen. Ich habe gelernt, nie mehr mein Artist’s Statement zum Lebenslauf hinzuzufügen, wenn es nicht explizit verlangt wird. Und beim nächsten Mal am besten viel weniger zu schreiben, um selbst dann unter der maximalen Wortanzahl zu bleiben, wenn etwas zugerechnet wird, was nicht dazu gehörig gedacht war.


Links:

Tschüss Blockade, hallo Kreativität

Sie wollen Ihre weiße Leinwand in eine kreative Bühne verwandeln? Ich habe für Sie Impulse zusammengestellt, damit Sie wieder ins kreative Tun kommen. Hier gibt es das PDF.

2 Kommentare

  1. Danke für diesen Beitrag!

    Noch eine Frage, was heißt: CVs? Irgendwas mit Corporate …?
    Steht oben in dem Satz: „… wie üblich bei mir Teil des CVs…“

    Kleiner Trost: es geht wohl allen Kunstschaffenden so mit Bewerbungen, dass man einfach auch erfolglos dabei ist. Allerdings ist das in Ihrem Fall, Frau Reiche, echt-echt unglücklich gelaufen. Sie wollten alles korrekt machen, und dann sowas. Ich finde da hätte die Vorauswahl ein Auge zudrücken können,…was diejenigen sicherlich nicht machen täten, denn für was haben die ihr Regelwerk?! Gemenschelt hat es da offenbar nicht. Bedauerlich.

    Antworten
    • Liebe Frau Semling,
      danke für Ihre Rückmeldung. Die waren wirklich nett dort und es tat ihnen auch Leid. Ein Auge zuzudrücken, ging nicht mehr, zu dem Zeitpunkt war ja die Endauswahl schon gelaufen. Was ich allerdings eine nette Geste gefunden hätte, mir das Geld zurückzuerstatten. Aber sei’s drum. Zu Ihrer Frage: CV bedeutet Curriculum vitae, oft verwendete Abkürzung für Lebenslauf. Haben Sie einen schönen Tag!

      Antworten

Einen Kommentar abschicken

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert