In diesem Jahr haben wir für das Färben der Ostereier besonders intensive Farben erwischt. Die Eierschalen waren weiß, hellbraun und braun. Und so hatten wir am Ende verschieden stark leuchtende Eier, die harmonisch Seite an Seite lagen.
- Farben definieren
- Die Farbtemperatur
- Der Farbkreis
- Farben sind relativ
- Der Komplementärkontrast
- Der Hell-Dunkel-Kontrast
- Farbharmonie
- Harmonie im Bild schaffen
Beim Frühstück am Ostersonntag sprach ich mit meiner Familie über Farben und stellte fest, dass die selbst gefärbten Eier brilliante Hilfsmittel sind. Auch wenn das Farbspektrum nicht ganz vollständig war – es fehlte ein leuchtender Blauton – konnte ich doch damit einige Aspekte von Farben anschaulich erklären.
Farben definieren
Grundsätzlich gibt es drei Eigenschaften, mit denen sich Farben charakterisieren lassen:
- Farbton: die Eigenschaft mit der man eine Farbe beschreibt, etwa Rot, Blau, Orange. Diese Farbtöne können viele Nuancen aufweisen – man denke an ein grünliches Zitronengelb oder ein warmes Sonnengelb.
- Sättigung: die Intensität der Färbung. Nimmt man ein Rot direkt aus der Tube, hat es eine hohe Sättigung, leuchtet also intensiv. Dies hat mit der Menge an enthaltenen Farbpigmenten zu tun. Mischt man Weiß, Grau oder Schwarz hinzu oder verdünnt mit Wasser, nimmt die Sättigung ab und man nähert sich immer mehr einem Schlamm- oder Grauton. Auch das Beigeben der Komplementärfarbe entsättigt die Farbe. Gesättigte Farben konkurrieren mehr miteinander als ungesättigte, weil sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eine künstlerische Möglichkeit, in ein Bild Ruhe zu bringen, ist deshalb, alle bis auf eine Farbe zu entsättigen.
- Helligkeitswert: Dieser zeigt sich, wenn man die Augen zukneift oder ein Farbfoto in ein Schwarz-Weiß-Bild umwandelt. Weiß ist der hellste Ton, Schwarz der dunkelste, Grautöne liegen dazwischen. Diese verschiedenen Stufen werden auch als Grauwertskala bezeichnet. Gelb ist heller als ein Rotton, ergibt also in einem Schwarz-Weiß-Bild ein helleres Grau. Manche Helligkeitswerte von Farben sind überraschend. Machen Sie doch mal den Test und wandeln sie Bilder auf Ihrem Handy in Schwarz-Weiß-Bilder um.
Farben und ihre Temperatur
Darüber hinaus kann Farben eine Temperatur zugeordnet werden. Manche Farben, etwa Blauviolett, werden als kühl, andere, beispielsweise Orangerot, als warm empfunden. So gibt es Untersuchungen die zeigen, dass sich Heizkosten sparen lassen, wenn ein Raum in warmen Farben eingerichtet ist – weil die Menschen diese Wärme tatsächlich empfinden und deshalb weniger Heizwärme nötig ist.
Zudem ist die Farbtemperatur auch ein physikalischer Wert von Strahlung, der mit der Wellenlänge des sichtbaren Lichts zusammenhängt, also objektiv messbar ist.
Der Farbkreis
Basierend auf den Farbeigenschaften existieren zahlreiche zwei- und dreidimensionale Modelle, um Farben zu erklären oder zu kategorisieren. Das bekannteste dieser Farbordnungssysteme ist wohl der Farbkreis. Er existiert in verschiedenen Varianten. Obwohl er physikalisch und physiologisch stark vereinfacht und nicht ganz korrekt ist, dient er in der Kunst dazu, Farbmischungen zu erklären.
- Primärfarben: Gelb, Rot und Blau sind die drei Primärfarben. In ihrer reinen Form lassen sie sich nicht aus dem Mischen anderer Farben herstellen., doch aus ihnen kann man (unter Zuhilfenahme von Schwarz und Weiß) alle anderen Farben mischen. Sie bilden im Farbkreis die Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks.
- Mischt man jeweils zwei Primärfarben, entstehen die Sekundärfarben Orange, Grün und Violett. Diese bilden ein zweites Dreieck, das sich zwischen dem ersten aufspannt. Damit liegt Orange (als Mischung aus Gelb und Rot) im Farbkreis genau gegenüber vom Blau, Violett (Mischung aus Blau und Rot) befindet sich gegenüber von Gelb, Grün gegenüber von Rot. Diese Paare sind die Komplementärfarben. Werden alle Primärfarben miteinander gemischt, entsteht ein Grauton.
- Mischt man eine Primär- mit einer Sekundärfarbe, entstehen die Tertiärfarbtöne, die sich wiederum immer weiter mischen lassen. Gut zu wissen ist, dass Töne, die im Farbkreis eng beinander liegen, als harmonisch empfunden werden – wie eine Familie, bei der die Mitglieder in all ihrer Individualität erkennbar den gleichen Genpool besitzen.
Weiterentwicklung des einfachen Farbkreises sind Systeme, die auch die Sättigungen oder Hell-Dunkel-Werte mit berücksichtigen. Um alles gleichzeitig abzubilden, gibt es Modelle, die den Raum einbeziehen.
Im Farbkreis sieht man sehr schön, dass die tertiären Farbtöne eine Neigung in eine Farbrichtung und damit auch zu einer Temperatur haben. So kann ein Gelb einen leichten Grünton enhalten und fühlt sich damit kühler an als ein Orangegelb. Für mich als Künstlerin ist dies beim Farbenmischen wichtig. Leuchtende Farbtöne kann ich mit Primär- und Sekundärfarben nur dann erzeugen, wenn sie die gleiche Temperaturtendenz haben. Für ein leuchtendes Orange brauche ich also ein warmes (= gelbliches) Rot und ein warmes (= rötliches) Gelb – sonst bekomme ich einen stumpfen, gräulichen Farbton.
Farben sind relativ
Die Zuordnungen von Farbeigenschaften sind nicht absolut, sondern hängen davon ab, in welcher Umgebung sich eine Farbe befindet. Stellen Sie sich gelbe Knöpfe auf einem weißen und einem schwarzen Kleid vor. Auf dem hellen Stoff fallen sie kaum auf, während sie auf dem Schwarz ein leuchtender Hingucker sind. Oder eine Frühlingswiese im Wald: Der Grünton vom Gras oder Efeu wird im Vergleich zum zarten Gelbgrün von Birkenblättern eher als kühl empfunden, wirkt aber neben dem Blaugrün einer Tanne wärmer.
Der Komplementär-Kontrast
Wie oben beschrieben werden die Paare, die sich im Farbkreis gegenüber liegen, als Komplementärfarben bezeichnet. Da sie am weitesten voneinander entfernt liegen, sind sie sehr verschieden. Nebeneinander gesetzt bringen sie sich gegenseitig zum Leuchten, da ihre jeweilige Fremdheit hervorsticht und wir unterschiedliche Dinge besonders stark wahrnehmen. Liegen ein Apfel und eine Banane nebeneinander, sehen wir ihre individuellen Eigenschaften eher als bei zwei Äpfeln Seite an Seite.
Ein Komplementärkontrast wirkt sehr intensiv und dramatisch, besonders mit gesättigten Farben. Wird er dosiert eingesetzt, rundet er wie das Salz in der Suppe den Geschmack ab. Zuviel davon kann das ganze Gericht verderben.
Mischt man Komplementärfarben zu etwa gleichen Teilen, löschen sie sich in ihrer Farbigkeit gegenseitig aus und erzeugen ein Grau. Eigentlich logisch – entspricht das doch einer Mischung der drei Primärfarben. Fügt man einer Farbe einen kleinen Anteil ihrer Komplementärfarbe hinzu, nimmt man ihr die Leuchtkraft. Sie wird nicht weniger schön, nur stiller.
Spannend ist, dass in unserer Wahrnehmung die Komplementärfarbe eine starke Rolle spielt. Schaut man länger auf ein farbiges Feld und schließt dann die Augen oder blickt auf ein weißes Blatt Papier, sieht man dieses Feld in der Komplementärfarbe. Dies wird als Nachbildkontrast oder Sukzessivkontrast bezeichnet – eine gute Möglichkeit, eine Komplementärfarbe zu bestimmen, wenn man den Farbkreis nicht mehr im Kopf hat.
Der Hell-Dunkel-Kontrast
Nicht nur der Farbton und die Sättigung sind wichtig beim Einsatz von Farben auf einem Bild. Auch der Helligkeitswert spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Betrachter schaut immer zuerst dorthin, wo die stärksten Unterschiede von Helligkeiten zu sehen sind, also dort, wo Hell und Dunkel aufeinander treffen. Das gilt für bewusst gesetzte dunkle Flächen auf einem Gemälde genauso wie für einen Schmutzfleck auf einem hellen T-Shirt.
Gute Künstler lassen also in ihrer Komposition nicht nur die Farben selbst gekonnt miteinander spielen, sondern achten auch darauf, dass deren Hell-Dunkel-Kontraste austariert sind.
Farbharmonie
Stellen Sie sich zwei extravagante Besucher auf einem Fest vor – beide laut und schillernd. Einzeln sind sie spannend, zumindest, wenn man Lust hat, den Geschichten einer Diva zu lauschen, ohne selbst etwas beizutragen. Stehen sie nebeneinander, weiß man nicht, wohin mit der Aufmerksamkeit. Die Ohren klingeln, die Augen schmerzen. Wenn dann noch laute Musik läuft und die anderen Partygäste sich gegenseitig anbrüllen, kommen die Kopfschmerzen nicht unbedingt vom Alkohol. Wie angenehm ist es, sich stattdessen in die Gruppe von Menschen zu stellen, die sich in normaler Lautstärke unterhalten, den anderen ausreden lassen und zusammen über die gleichen Dinge lachen.
Dramatik würzt das Leben, doch zuviel davon fühlt sich an, wie wenn mehrere Menschen in verschiedenen Tonarten singen. Harmonie ist, wenn die Töne zusammenpassen, das gilt in der Kunst genauso wie in der Musik. Farbharmonie erzeugt man mit ausgewogenen Farbkombinationen. Auch hier existieren – ähnlich wie beim Farbkreis – mehrere Modelle, wie sich diese erzeugen lassen. Sie sind dadurch definiert, welche und wie viele Farben an welcher Position im Farbkreis miteinander kombiniert werden. So gibt es in der Farbtheorie beispielsweise monochromatische, komplementäre, teilkomplementäre und analoge Farbharmonien oder die triadischen, tetradischen und quadratischen Farbschemata.
Harmonie im Bild schaffen
Ich finde diese Begriffe und Kategorien zur Farbharmonie oft recht trocken und theoretisch und kann mir ehrlich gesagt viele der Bezeichnungen nicht merken. In meinem künstlerischen Alltag reicht es mir meist zu wissen, dass die Komplementärkontraste – bewusst und zurückhaltend eingesetzt – Strahlkraft bringen, und Farben, die nebeneinander liegen bzw. aus einem ähnlichen Farbtonbereich kommen, eine eher stille Harmonie besitzen. Je entsättigter die Farben sind, desto zurückhaltender wirken sie und desto einfacher lassen sich sich über den gesamten Farbkreis hinweg miteinander kombinieren.
Ein Mittel, um Harmonie zu erzeugen ist, allen Farben beim Mischen eine geringe Menge eines gleichen Farbtons beizugeben. Ein ähnlicher Effekt lässt sich mit einer transparenten Farbschicht erzielen, die man über bestimmte Bereiche legt (Farblasur), oder indem man mit eher transparenten Farben auf einem farbigen Untergrund arbeitet. Dies ist übrigens der Grund dafür, dass viele meiner Ostereier so gut miteinander aussehen: die durchscheinende braune Eierschale ist wie eine Farblasur, die alles harmonisiert. Auf den weißen Eiern wiederum leuchtet die Farbe besonders intensiv.
Farben spielen eine wichtige Rolle in der Komposition. Als Künstlerin muss ich ihre Eigenschaften kennen und mir ihrer Einflüsse auf die Bildelemente und -gestaltung bewusst sein. Meine Hilfsmittel, um ein paar Aspekte der Farbtheorie zu erklären, sind mittlerweile aufgegessen. Ich freue mich schon auf das nächste Osterfest.
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Weitere Links
- Farbe ist nur eines der Elemente, die beim Malen eines Bildes wichtig sind. Weitere Aspekte finden sich im Blogartikel Kunst und Komposition.
- Für diejenigen, die Farbwahrnehmung spielerisch erforschen wollen, habe ich diesmal den Tipp für eine kostenlose, minimalistische App. Doch aufgepasst: „I Love Hue“ hat Suchtcharakter – selbst für diejenigen, die sonst Digitalspielen nicht zugeneigt sind.
- In der Unternehmenskommunikation spielen Farben und ihre Wirkung eine wichtige Rolle. Einen spannenden Überblick gibt Sigrid Thomas, Grafikdesignerin aus Wien, in ihrem Blogartikel „So findest du passende Farben für dein Branding“.
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