Sonntagmorgens, wir liegen gemütlich im Bett, reden über dies und das. Plötzlich fragt mich mein Mann, welche Werte ich für mein Business definiere. Mmpf. Ehrlich gesagt: Darüber habe ich bisher noch nicht nachgedacht, schließlich besteht mein Unternehmen nur aus einer Person. Klar habe ich als Privatperson Werte. Aber in meinem Business als Künstlerin? Muss ich dort überhaupt Werte definieren und wofür? Sind diese nicht sowieso identisch mit meinen Werten, die ich als Privatperson habe?
Also gut, ich denke darüber nach. Als erstes stellt sich die Frage, was Unternehmenswerte eigentlich sind – selbst wenn das Unternehmen nur aus einer Person besteht. Wofür stehe ich als Künstlerin? Vielleicht sogar: Wofür steht meine Kunst? Was ist mir wichtig, wie möchte ich handeln, wohin möchte ich gelangen?
Meine Unternehmenswerte: was mir wichtig ist
Sobald ich das Thema „meine Unternehmenswerte“ in konkrete Fragen fasse, wird es leichter. Also nochmal: Was ist mir wichtig, was zeichnet mich aus? Wie ist mein moralischer Kompass, woran orientiere ich mich? Was also sind meine Werte? Hier ein paar Antworten.
Kreative Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit
Für mich ist das eine der Kerneigenschaften meiner Arbeit als Bildende Künstlerin, auch im Gegensatz zur Tätigkeit als Designerin. Das Malen ist nicht zielorientiert, entsteht bei mir nicht aus einem expliziten Kundenwunsch oder gar dessen dezidierter Vorstellung. Ich bewundere Künstler:innen, die fähig sind, Auftragsarbeiten anzunehmen. Ich könnte das allenfalls dann, wenn ich in der Umsetzung komplett frei bin. Aber welcher Kunde vergibt solch einen Auftrag: Mach mir einfach ein Bild – egal, ob abstrakt oder gegenständlich, Materialien, Größe und Format sind egal, Farben ebenso. Und ob du 2 Monate oder 5 Jahre brauchst, ist mir eigentlich auch gleich …
Kundenfreundlichkeit
Ich möchte meine Kund:innen erfreuen: Natürlich mit meiner Kunst. Aber auch, weil ich ihre Fragen schnell und freundlich beantworte. Das Paket liebevoll und sorgfältig verpacke, ein Echtheitszertifikat beifüge. Ich möchte, dass meine Kund:innen spüren, dass Kunst für mich eine Herzensangelegenheit ist. Dass ich ein freundlicher, zugewandter Mensch bin, der sich über ehrliches Interesse freut. Dass ich glücklich und dankbar bin, wenn ich mit meiner Kunst berühre.
Authentizität
Ich möchte kein Paket mit heißer Luft sein, die zu Schaum aufgeschlagen und als Zuckerwatte verkauft wird – am besten lautstark und auf allen Kanälen. Das bin ich nicht. Ich möchte so wahrgenommen werden, wie ich mich fühle und was sich letztlich auch in meiner Kunst spiegelt: Leidenschaftlich, wenn es darum geht, über Kunst zu sprechen. Aber eher still, wenn ich mich selbst an den Mann /die Frau bringen soll.
Deshalb tue ich mich auch – obwohl ich sehr strukturiert bin – mit Redaktionsplänen für die Selbstvermarktung schwer, schalte keine Werbeanzeigen und freue mich, wenn ein Journalist mich von sich aus anspricht (statt dass ich Pressemitteilungen schreiben oder Kaltakquise betreiben muss). Wenn jemand zu mir kommt, weil er zufällig auf meine Webseite gekommen und dort hängengeblieben ist. Oder weil sie in einer Ausstellung war und dort auf ein Werk aufmerksam geworden ist.
Eng mit diesem Wert zusammen hängt auch die Ehrlichkeit. Wenn ich mein Gegenüber wertschätze, dann meine ich auch das, was ich sage. Nur so klappt Kommunikation auf Augenhöhe.
Qualität
Mir sind die Materialien wichtig und das Wissen darüber, wie sich diese verhalten. Ich möchte nicht, dass sich meine Werke nach wenigen Jahren in ihre Bestandteile auflösen, etwa weil die Strukturmasse mit Komponenten im Binder reagiert. Da muss ich an eine Künstlerin denken, die ich bei einer Fortbildung kennengelernt hatte. Sie erzählte mir davon, dass sie ein Bild in einer neuen Technik mit Kaffee gemalt und kurze Zeit später verkauft hatte. Und was passierte: Der Kunde brachte es nach wenigen Wochen zurück, weil er den permanenten Kaffeegeruch in seinem Schlafzimmer nicht ertragen konnte.
Nahbarkeit
Nahbarkeit, ganz wichtig. Ich möchte, dass Kunst nichts Elitäres für einige wenige ist, sondern etwas, was jeden Menschen erfreuen kann. Ich möchte zeigen, dass Kunst wichtig ist, froh macht und gesund hält. Das ist auch eine meiner Triebfedern, warum ich über Kunst schreibe und spreche.
Nachhaltigkeit
Dieser Begriff ist seit Jahren in aller Munde. Egal welches Unternehmen: Fast alle haben sich Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geschrieben. Nicht immer kann ich das ernst nehmen. Aber egal: Mich treibt das Thema auch privat um. Für meine Kunst möchte ich es mehr in den Fokus rücken, wälze auch schon einige Ideen. Ich bin trotzdem noch unentschieden, wie genau ich es umsetze. Egal: Dieser Wert kommt auf meine Liste.
Berufung, Leidenschaft, Begeisterung
Berufung ist ein abgenutzter Begriff. Für mich liegt er in der Kunst nah beim Klischee des genialen, von der Muse geküssten Künstlers. Und trotzdem: Das Wort passt. Es enthält einen Ruf, der schon immer leise in mir hallte, immer lauter wurde und letztlich dazu geführt hat, dass ich beruflich ausgezogen bin, um Künstlerin zu werden. Voller Begeisterung und Leidenschaft, ohne die geht es nämlich nicht, zumindest nicht auf Dauer. Idealismus ist dabei, Vertrauen darauf, dass ich meinen Weg finde. Und Herzblut ist ein wichtiger Teil, immer. Deshalb tut es manchmal auch weh. Aber oft auch sehr, sehr gut.
Und so einiges mehr…
Das ist spannend: Nachdem ich angefangen habe, über das Thema nachzudenken, fallen mir immer mehr Dinge ein, die wichtig sind und für mich eine Rolle spielen. Witzigerweise habe ich über etliche davon auch schon in meinem Blog geschrieben, ohne zu merken, dass ich erstens damit Unternehmenswerte definiere und zweitens bereits verinnerlicht habe, dass mein Unternehmen untrennbar verknüpft ist mit mir als Person, mit meinem Denken und Fühlen, meiner Arbeitsweise. Folgende Aspekte sind mir ebenfalls wichtig:
- Mut und Zähigkeit
- Abwechslung
- Neugier
- Anerkennung/Wertschätzung
- Fleiß
- Kreativität, inspiration, Schönheit
- Stille zulassen, um besser hören zu können
- Innehalten, Reflexion, Dinge und Meinungen immer wieder hinterfragen
- Ganzheitlichkeit: Vernunft und Gefühl, Wissen und Fühlen – in der Malerei genauso wie im Leben
- Akzeptanz und Dankbarkeit
Wozu dienen Werte – im Leben und im Business?
Werte funktionieren wie ein Kompass, sie sind eine Orientierungshilfe für mein Tun. Wenn ein wichtiger Wert Entdeckergeist ist, werde ich mich an einer Weggablung nicht für den bekannten, ausgetretenen Pfad entscheiden, sondern für den mit Gras überwachsenen, der in den Wald führt. Werte bestimmen meine Haltung zu Menschen, Dingen, Situationen. Und sie lenken mein Handeln, steuern/vereinfachen Entscheidungen und beeinflussen, womit und mit wem ich mich umgebe. Sie stiften Sinnhaftigkeit, geben Motivation. Kenne ich meine Werte, kann ich Prioritäten setzen, meine Zeit besser einteilen, Dinge tun, die mit meinen Werten im Einklang stehen.
Ich möchte Kunst nicht für das Publikum kreieren. Sondern die richtigen Menschen finden, die meine Kunst mögen und wertschätzen. Und da meine Kunst immer ein Stück von mir ist, könnte ich mir vorstellen, dass sie vielleicht eher Menschen anspricht, denen ähnliche Werte wie mir wichtig sind.
Fazit
Eine pauschale Antwort auf die Frage, ob Kunstschaffende Unternehmenswerte brauchen bzw. definieren sollten, gibt es aus meiner Sicht nicht. Ich denke, sie sind hilfreich. Immer wieder darüber nachzudenken, was einem selbst wichtig ist, hilft dabei, in die richtige Richtung zu laufen. Regelmäßig überprüft, geben die Werte und ihre sich eventuell ändernde Priorisierung auch einen klaren Blick auf die eigene Entwicklung.
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Ich freue mich: Mein neuer Katalog ist fertig.
Hier lässt er sich online durchblättern
Links:
Liebe Dagmar, was für ein schöner Artikel in dem ich dich erkennen kann.
Das, was du hier beschreibst, strahlst du auch aus.
Und, ich liebe es, wenn du dich in ein Thema versenkst und darüber schreibst. Danke für die Inspiration
Liebe Carmen,
das ist ein tolles Feedback – hab 1000 Dank dafür. Zumal von einer Frau, die mich persönlich kennt und die selbst Menschen mit der Sprache so gut mitnimmt. Ich freue mich!