„Mehr Sichtbarkeit“ – das war wohl mein roter Faden in 2021. Gar nicht so einfach als Künstlerin, in Zeiten von Corona. Und definitiv ein Verlassen der Komfortzone, wenn man ein Mensch ist, der lieber in seinem stillen Atelier ruhige Landschaften malt, als im Rampenlicht zu stehen. Doch als Künstlerin bin ich es gewohnt, immer wieder über meinen Schatten zu springen und Neues zu probieren. Schließlich will ich mich weiterentwickeln. Und so habe ich Einiges geschafft, von dem ich in den Jahren zuvor noch nicht einmal wusste, dass ich das im Fokus haben könnte. Nicht immer war es eine Kurzstrecke, oft eher ein Hürdenlauf.
- Am Anfang war: ein Magazin
- Newsletter für kreative Köpfe
- Kreativität in Pandemiezeiten
- Wie trotze ich Corona?
- Was hat die Zeit mit meiner Kreativität gemacht?
- Welche Höhen und Tiefen gab es?
- Zum Abschluss Höhenflüge
Am Anfang war: ein Magazin
Der Impuls für diesen Blogpost kam von Peter Lau, einem Redakteur des Magazins brand eins. Seit dessem Start um die Jahrtausendwende bin ich begeisterte Leserin. Von Anfang an hat mich – als Magazinjunkie – fasziniert, mit welchem Mut und frischen Blickwinkeln die Gründerin Gabriele Fischer und ihr Team das Thema Wirtschaft ganz neu aufgerollt und zugänglich gemacht haben.
Ich vermute, das liegt daran, dass Wirtschaft immer im Kontext von Gesellschaft beleuchtet wurde (und wird) und deshalb von Anfang an Menschen im Vordergrund standen. Zum einen die Leser, die interessiert, aber keine Experten und von der Neugier auf die Welt getrieben sind. Zum anderen die Menschen, über die geschrieben wird. Menschen, die Dinge bewegen, anders denken, anpacken. Die erfolgreich sind – aber eben auch gegen Widerstände stoßen und oft ihre Komfortzone verlassen. Jedes Mal, wenn ich eine Ausgabe kaufe, weil mich das Schwerpunktthema anspricht, entdecke ich Neues. Selbst Themen, die mich zunächst nicht sehr interessieren, sind so aufbereitet, dass ich den Artikel lese – und spannend finde. Geschichte über Menschen für Menschen: die große Kunst des Magazinmachens, wie ich finde.
Newsletter für kreative Köpfe
Seit kurzem gibt es nun aus der Feder von Peter Lau einen Newsletter „Das geht besser“, der sich zumindest in seinen ersten beiden Ausgaben vor allem an Künstler:innen und Kreative richtet. Es sollen Ideen vorgestellt werden, mit denen auch ungeliebte Aufgaben besser bewältigt werden können. Und davon gibt es ja gerade als Selbstständige mehr als genug. Klar, dass ich diesen Newsletter direkt abonnieren musste.
Auch hier wird konzeptionell ein spannender Weg eingeschlagen. Wie in sozialen Medien wird geduzt und wichtig ist der Dialog. Die Abonnent:innen werden gebeten, zu einem Thema Stellung zu nehmen und Peter Lau webt aus den einzelnen Antwortfäden einen ansprechenden Teppich für den nächsten Newsletter. Quasi ein kurzes Schlaglicht zur Befindlichkeit der Leser:innen und ihren Vorschlägen, wie sie mit Herausforderungen umgehen. Mir gefällt’s.
Kreativität in Pandemiezeiten
Im aktuellen Newsletter „Reden hilft“ stellt Lau Fragen zur Kreativität rund um Corona. Hat diese Zeit wirklich Kreativität gestärkt und wenn ja, wie sah das konkret aus? Was genau hat sich geändert, gab es neue Geschäftsmodelle, neue Wege und Menschen?
Dieser Fragenkatalog rannte bei mir offene Türen ein. Diese Themen begleiteten mich während der vergangenen 1,5 Jahre. Und gerade beschäftige ich mich mit ihnen, weil es Zeit für meinen jährlichen privaten Jahresrückblick ist. Den schreibe ich fast so lange wie es brand eins gibt – ein Lebenszeichen für Freunde und Familie, das ich ganz analog zusammen mit einer besonderen Weihnachtskarte verschicke. Eine Möglichkeit, wenigstens ein bisschen präsent zu bleiben, auch bei Menschen, die ich nicht so oft sehe wie ich gerne hätte. Vieles ist seit meinem letzten Jahresrückblick anders geworden, neu, ungehört und spannend, manchmal aber auch zäh, herausfordernd und zehrend. Also los:
Wie trotze ich Corona?
Das Wort „Trotz“ impliziert ein Gegeneinander, einen Willen, der in eine andere Richtung zieht als der andere. Doch ich hatte gar nicht so häufig das Gefühl, dass mich Corona gegen meinen Willen ausbremst. Sondern eher den Eindruck, dass die mit dieser Zeit einhergehende Entschleunigung mir gut tut. Ich konnte die Stille am See genießen und war immer wieder extrem dankbar dafür, in solch einer inspirierenden Umgebung zu leben. Manchmal hatte ich das Gefühl, ein großes Durchatmen der Natur zu spüren. Kaum Autos, wenig Menschen, alles gedimmt. Eine Bläue von Wasser und Bergen, die ich so noch nie gesehen hatte.
Zu kämpfen hatte ich damit, von Grenzen umschlossen zu sein – im Westen der See, im Süden die Grenze nach Vorarlberg. Wenige Kilometer Richtung Norden die Landesgrenze zu Baden-Württemberg, zeitweise kaum weniger schwierig zu queren als die nach Österreich. Und wenige Meter von meinem Atelier entfernt die geschlossene Autobahnauffahrt. Da kamen Kindheitserinnerungen an DDR-Zeiten hoch.
Was hat die Zeit mit meiner Kreativität gemacht?
Ganz ehrlich: viel Gutes. Ich habe das Geschenk, ein Atelier zu haben, in das ich jeden Tag laufen oder fahren kann. Sobald ich den Schlüssel umdrehe und hineingehe, bin ich in einer anderen Welt. Ich liebe es, dort zu sein, in Ruhe meine Eindrücke aus dem Leben zu sortieren und in Kunst umzuwandeln, genau in meinem Tempo. Die äußeren Bedingungen haben mir in die Karten gespielt: Erstens konnte ich das tun, was ich am liebsten tue – ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich nicht auf vielen Hochzeiten tanze. Zweitens fiel Vieles weg und aus. Damit hatte ich endlich die Zeit, das zu intensivieren, womit ich in 2020 begonnen hatte: Meine Sichtbarkeit zu verbessern. Mit meiner Kunst mehr nach außen zu treten. Meine Webseite meiner Entwicklung anzupassen.
Ich habe viele neue Dinge ausprobiert. Ich habe ein Video über meine Arbeit und Kunst gedreht, also etwas gemacht und geschafft, was ich schon im Designstudium tunlichst vermieden habe. Als Designerin habe ich Bücher und Broschüren für mich gestaltet und meine Website komplett umgekrempelt, eine Herausforderung auf vielen Ebenen. Positionierung, Marketing, Zielgruppen. Konzept und Umsetzung. Wo stehe ich, wo möchte ich hin. Nicht zu vergessen das, was mir viel schlaflose Nächte bereitet hat: die Technik, Newsletter, Keywordrecherche, SEO. Plötzlich viel mehr in den sozialen Medien unterwegs zu sein. Neues zu lernen, aber auch zu lernen, dass nicht alles, was lernbar ist, sinnvoll ist. Der Fear of missing out (FOMO) zu begegnen und zu üben, sie freundlich vor die Tür zu bitten.
Ich habe Interviews in der Lokalzeitung gegeben, bei einem Online-Summit mitgemacht und bei einem Live-Talk auf Facebook. Ich habe Menschen gebeten, Feedback zu geben und Rezensionen zu schreiben. Alles Dinge, die außerhalb meiner Komfortzone liegen, aber mich jedesmal ein kleines bisschen haben wachsen lassen. Ich habe meine Liebe zum Schreiben wiederentdeckt, meinen Blog reaktiviert und mit meinem „Im Gespräch“ ein neues Format ins Leben gerufen, was mir extrem viel Freude bereitet. Ich habe Lyrik und Kunst verbunden und meinen Werken poetische Bildtitel gegeben. Und ich mache gerade bei einem bundesweiten Kunst-Projekt mit, bei dem Kunstschaffende, die sich nicht kennen, Kunst per Mail an den Nächsten schicken, der sie dann weiter bearbeitet. Auch eine Übung im Loslassen.
Ich habe gemerkt, wie viel zusätzliche Energie in mir steckt, die in Krisenzeiten empor blubbert und mich antreibt. Da fällt es direkt leichter, die schwierigen Schritte raus aus der Komfortzone zu gehen.
Welche Höhen und Tiefen gab es?
Die letzten 1,5 Jahre waren eine Berg- und Talfahrt. Insgesamt bin ich aber so oft geflogen, dass die Glücksgefühle überwiegen.
- Für mich das Schönste: im vierten Quartal 2020 das erste Mal in meinem Leben eine Online-Weiterbildung gebucht zu haben, die mit einer steilen Lernkurve verbunden war, obwohl ich mich als Künstlerin beruflich immer ein bisschen als Exotin fühlte. Aus dieser Gruppe ist eine Folgegruppe mit rund 100 Teilnehmer:innen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz entstanden. Mit einer breit gefächerten Expertise und mit einer unglaublichen Bereitschaft zu helfen, Wissen zu teilen, sich gegenseitig zu unterstützen. Mittlerweile gab es schon mehrere Treffen im richtigen Leben. Ich habe so etwas noch nie erlebt und hätte es nie für möglich gehalten, dass online etwas so wachsen kann. Ich denke, dass es diese Verbundenheit ohne Corona nicht gegeben hätte. Viele von uns hatten mehr Zeit als sonst, waren aus ihrem normalen Businessalltag geworfen und mussten Ideen und Energie sammeln, um neue Weg zu gehen. Das war der gemeinsame Antrieb.
- Auf der anderen Seite wurden in all den Corona-Monaten so viele Ausstellungen abgesagt und umdisponiert, dass es streckenweise schwer war, nicht den Mut zu verlieren. So ging es mir als Künstlerin. Und so ging es mir als 2. Vorsitzende in unserem Kunstverein. Zwar gab es auch hier viele kreative Ideen und den Mut, Neues auszuprobieren – Online-Formate, Newsletter-Interviews, Schaufensterausstellungen. Doch zwischenzeitlich ging mir wirklich die Puste aus. Für meine neuen Galerieräume neben meinem Atelier hatte ich gerade meinen Mietvertrag unterschrieben – wenige Tag später kam der erste Lockdown. Da blieb mir zum ersten Mal das Lachen kurz im Hals stecken. Mit fortschreitender Zeit fiel es oft immer schwerer, die Kröten zu schlucken. Ausstellungen gerade aufgebaut, dann wieder geschlossen, lang geplante Ausstellungen verschoben oder komplett abgesagt. Oder eben nur im Internet zu sehen. Irgendwann ist man es einfach leid, Kunst und Kultur nur online erleben zu können.
Zum Abschluss Höhenflüge
Dafür kann ich meinen Rückblick dann doch mit mehreren wunderbaren Dingen abschließen:
- Erstens eine Ausstellung mit einer befreundeten Künstlerin in Ravensburg, die mir wieder mal gezeigt hat, wie spannend und inspirierend es doch ist, Dinge gemeinsam anzugehen. Dazu gehörte auch, zusammen auf einer Leiter zu stehen und fast 5 Meter über dem Boden Folien an einen Fahrstuhl zu kleben. Und dabei immer wieder so sehr zu lachen, dass es allein deshalb schon schwierig war, das Gleichgewicht zu halten.
- Zweitens die Teilnahme an einer Exkursion, bei der Typografie und Bauhaus im Mittelpunkt standen. Das Bauhaus als Ort, in dem Wegweisendes passiert ist, sicher mit vielen disruptiven Situationen.
- Drittens mein ganz persönliches Highlight. Ein Meisterkurs bei Bernd Zimmer. Definitiv raus aus der eigenen Komfortzone – malt er doch gestisch-expressive, großformatige Landschaften, während ich zart, lasierend und eher auf kleinen Formaten unterwegs bin. Ich habe mich getraut und es war großartig.
- Und zuletzt die Nachricht vor wenigen Tagen, dass ich mit meinem Kunstkatalog, der während Corona entstanden ist, zwei Preise beim European Creative Media Award (ICMA) einheimsen durfte.
Fazit
Die Corona-Zeit hat mir gezeigt, wie viele Ressourcen ich in mir trage. Sie hat mir wunderbare Augenblicke des Innehaltens geschenkt. Und ein Netzwerk von Menschen, die zwar viele andere Berufswege gehen, aber trotzdem so ähnlich ticken wie ich. Beziehungen eingehen, Wissen teilen, neugierig aufeinander sein, Empathie zeigen und etwas gemeinsam auf die Beine stellen – das ist für mich der Kitt, der Menschen verbindet. Ich freue mich auf das kommende Jahr.
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Ich freue mich: Mein neuer Katalog ist fertig.
Hier lässt er sich online durchblättern
Weitere Links
- Mehr über die Ausstellung, bei der ich meinen Gleichgewichtssinn trainiert habe: Mut zum Gefühl
- FOMO und andere Fallen der Selbstoptimierung: Warum Kreativität und Selbstoptimierung nicht die besten Freundinnen sind
- Ein Gastbeitrag, den ich über die Bauhaus-Exkursion geschrieben habe: Auf den Spuren des Bauhaus
- Hier ein Beispiel für eine der Weihnachtskarten, die ich Jahr für Jahr liebevoll kreiere: Vierjahreszeiten
- Und nicht zu vergessen das Video, für das ich definitiv meine Komfortzone verlassen habe: Künstlerportrait
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